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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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durch das üppige, frische Grün der Bäume ragen sah.
    Es war Samstag, im Kircheninnern hatte man sich zur Vorabendmesse versammelt. Theres beschloss, im Schatten einer Linde nahe dem Chor zu warten, und betete ein stilles Gebet. Ihre Anspannung legte sich. Über ihr im Geäst flötete ein Amselpaar, die Blätter raschelten leise im Wind. Keine halbe Stunde später strömten die Kirchgänger heraus, um sich in losen Gruppen zu sammeln und zu plaudern. Niemand sah in ihre Richtung oder schien sie zu bemerken. Da öffnete sich nicht weit von ihr die schmale Pforte zur Sakristei, eine schwarzgewandete Gestalt trat heraus und blickte genau in ihre Richtung.
    Theres hielt den Atem an: Dekan Forthuber! Warum nur hatte sie vergessen, dass der Anstaltsleiter des Arbeitshauses zugleich Dekan und Pfarrer war, und zwar ganz augenscheinlich von Sankt Moriz? Sie wich einen Schritt zurück, woraufhin ein Zweig unnatürlich laut unter ihren Schuhen knackste.
    «Hallo, gute Frau! Was machen Sie da?», rief der Dekan ihr zu. Jetzt blieb nur noch die Flucht nach vorn. Sie schob sich ihre Kapuze noch tiefer in die Stirn und trat unter dem Baum hervor, gerade eben so weit, dass sie nicht mehr ganz im Schatten, aber auch nicht allzu nah bei ihrem ehemaligen Anstaltsleiter stand.
    «Eine leichte Unpässlichkeit – aber es geht schon wieder. Grüß Sie Gott, Herr Dekan.»
    Sie wollte sich abwenden in Richtung Kirchplatz.
    «Nein, warte! Das gibt’s doch nicht!»
    Hinter Forthubers Rücken stürzte ein junger Geistlicher aus der Sakristei, dünn und schlaksig, mit auffallend weißblondem Haar. Das konnte nur Vikar Paul Matthes sein.
    «Meine liebe Cousine Eugenia aus Stuttgart! Dass ich dich nach all den Jahren endlich wiedertreffe! Du bist es doch, Eugenia?»
    Theres zögerte nur kurz.
    «Aber ja, lieber Paul.»
    Der Vikar wandte sich an Forthuber. «Mögen Sie schon einmal vorgehen? Ich habe meine Cousine seit der Jugend nicht mehr gesehen.»
    Forthuber runzelte die Stirn. «Aber nur auf eine Stunde. Schlag acht erwarte sich Sie im Dekanat!»
    Damit verschwand er um den nächsten Pfeiler des Chors.
    Paul Matthes wischte sich über die Stirn und lächelte. «Das ging ja grad nochmal gut. Ich denk nicht, dass Forthuber Sie erkannt hat.» Er schien sich keinerlei Sorgen zu machen, wie sein Herrgott diese kleine Lüge aufnahm.
    «Woher wissen Sie   …?»
    «Wer Sie sind? Nun, Patriz hat mir gesagt, dass Sie kommen würden, und wie Sie da so verloren unter dem Baum standen, dachte ich mir: Das kann nur Theres Ludwig sein.» Er gab ihr die Hand. «Ich bin Vikar Paul Matthes. Aber das wissen Sie ja, sonst hätten Sie mich nicht Paul genannt. Was ganz schön geistesgegenwärtig von Ihnen war.» Er nickte anerkennend. «Gehen wir ein Stück den Neckar entlang?»
    Theres nickte. «Dann wissen Sie auch, dass ich einstmals Zögling im Correctionshaus war?»
    «Sicher. Insofern war es ein Wagnis, Sie ausgerechnet hierher zu bestellen, zur Pfarrei Sankt Moriz, wo Dekan Forthuber ein und aus geht.»
    «Ja, ich hatte selber vergessen, dass er auch Stadtpfarrer ist.»
    Sie betrachtete den Neckar, der ruhig vor dem Hintergrund der Stadt vorüberglitt, und fühlte sich mit einem Mal beklommen. Irgendwas stimmte nicht, das spürte sie. Der junge Vikar wirkte eine Spur zu fröhlich. So kostete es sie große Überwindung, die entscheidende Frage auszusprechen.
    «Wie geht es Patriz Seibold?»
    «Ich weiß es nicht. Bis vor kurzem ging es ihm recht gut.»
    «Was soll das heißen?» Theres war stehengeblieben. Ihr Magen krampfte sich zusammen.
    «Nun ja – man hat ihn außer Landes geschafft. Vor drei Tagen.»
    «Das – das ist nicht wahr!» Sie hatte Mühe, den Sinn dieser Nachricht zu begreifen. «Dann ist er jetzt ganz gewiss bei Pfarrer Konzet, in Ringschnait. – Ich muss sofort zurück.»
    Der Vikar schüttelte den Kopf. «Das Ganze ist etwas komplizierter. Kommen Sie. Ich bring Sie in einen kleinen Gasthof, in der Nähe des Pfarrhofs, und erklär Ihnen alles.»
    «Bitte – nein – lassen Sie mich. Ich muss sofort zurück zu Konzet.»
    Sie wehrte seinen Arm ab und beschleunigte den Schritt. Da stellte sich der Vikar ihr kurzerhand in den Weg.
    «So hören Sie mir doch zu! Patriz ist fort – sie haben ihn zur Auswanderung gezwungen. Nach Amerika.»
    «Amerika? Amerika?» Sie bekam kaum Luft. Was erzählte ihr dieser Mann da? Was waren das für Schauergeschichten? Der Fluss vor ihr türmte sich plötzlich haushoch auf und drohte in einer gewaltigen

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