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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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verschwand sie in der Küche, um Elisabetha zu helfen.
    «Glaubst du, der Pfarrer wird sich über mich beschweren?», fragte Theres im Flüsterton.
    Die Köchin schüttelte den Kopf und fuchtelte zugleich abwehrend mit den Händen, was so viel hieß wie: niemals! Mittlerweile verstand Theres ihre Zeichensprache recht gut. Überhaupt schien Elisabetha, bis auf das verhärmte graue Gesicht, gar nichts gemein mit ihrer damaligen Lehrfrau zu haben.
    «Wie ich eben erfahren habe, ist der Herr Pfarrer zufrieden mit dir», sagte Rieke wenig später zu Theres, als sie mit Elisabetha am Mittagstisch Platz nehmen durfte.
    Sie warf einen kurzen Blick auf den Pfarrer, der wie immer keine Miene verzog. Sie konnte kaum glauben, dass er so etwas gesagt haben sollte, andererseits hatte er sich tatsächlich nie bei ihr beklagt. Unter dem Tisch stieß Elisabetha sie mit dem Fuß an, was heißen sollte: Na siehst du!
    «Gefällt es dir also hier?»
    Sie zögerte einen Augenblick, dann überwand sie sich zu der Antwort, die von ihr erwartet wurde und schlichtweg gelogen war: «Ja, Herr Oberinspektor.»
    «Gut. Wollten Sie dem Mädchen nicht auch noch etwas mitteilen, lieber Herr Konzet?»
    «Ganz recht.» Der Pfarrer räusperte sich. «Angesichts deinerguten Führung – und ich hoffe, es bleibt dabei – möchte ich dir hiermit die drei Vakanztage endgültig gewähren. Wie ich erfahren habe, willst du die Zeit für eine Reise zu deinem Bruder nutzen. Ich werde mich persönlich um eine sichere Begleitung für dich kümmern. Sagen wir: gegen Ende Juli.»

8
    In Eglingen auf der Rauhen Alb, Sommer 1838
    «So, mein liebes Kind.» August Wohlgschafft zeigte auf einen Abzweig, nachdem sein Knecht die Kutsche zum Halten gebracht hatte. «Von hier sind es noch zwei Dörfer, dann bist schon in deinem Eglingen. Bis Sonnenuntergang solltest es geschafft haben. Und halt dich auf dem Weg, schließ dich Leuten an. Damit du mir nicht verlorengehst, gell!»
    Theres reichte ihm die Hand und bedankte sich höflich.
    «Schon recht. Vielleicht kannst dich ja mal erkenntlich zeigen, wer weiß?» Sein bärtiges Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, während seine Tochter Balbina mit eisigem Blick an ihr vorbeistarrte. Theres wunderte sich längst nicht mehr über die eitlen, wohlhabenden Bauerntöchter aus dem schwäbischen Oberland, mit ihren bunten Sonntagskleidern aus feinstem Zitz und Seide und den schweren silbernen Brustketten überm Busen. Aber diese Balbina schoss den Vogel ab: Auf dem Kopf trug sie wahrhaftig eine Goldhaube, die sündhaft teuer gewesen sein musste. Wie ein hässliches Entenküken war sich Theres neben ihr vorgekommen, und dementsprechend hochnäsig hatte sich die junge Wohlgschafft ihr gegenüber auch benommen. Trotzdem war Theres dankbar, dass Balbina dabei gewesen war auf der langen Reise. Wer weiß, welche Anzüglichkeiten sich dieser Einödbauer sonst noch herausgenommen hätte?
    Kurz nach Sonnenaufgang war er an diesem Morgen am Pfarrhof vorgefahren gekommen, mit seinem eigenen, überaus herrschaftlichen Landauer, vor den zwei kräftige Schimmel gespannt waren. Im Innern thronte seine älteste Tochter wie eine Prinzessin. Sie sollte ihrem Bräutigam vorgestellt werden, dem künftigen Erben eines reichen Hofes irgendwo auf der Alb bei Münsingen. Anfang Juli bereits hatte August Wohlgschafft dem Pfarrer von seinen Reiseplänen erzählt und sogleich vorgeschlagen, die Theres bis kurz vor Münsingen mitzunehmen.
    «Ist das nicht eine wunderbare Überraschung?», hatte ihr der Pfarrer damals gesagt und sich dabei fast gar ein Lächeln abgerungen. «So vornehm wirst du wahrscheinlich dein ganzes Leben nicht mehr reisen.»
    In Wirklichkeit hatte die Nachricht ihre Vorfreude auf den Besuch bei ihrem Bruder sofort gehörig gedämpft, denn sie konnte diesen Wohlgschafft nicht leiden. Lieber wäre sie tagelang zu Fuß nach Eglingen gewandert.
    Was sie dann aber heute Morgen kurz vor der Abreise erfahren hatte, ließ diese Bedenken völlig in den Hintergrund treten. Sie war bereits zu Balbina in die Kutsche geklettert, als sie feststellte, dass sie ihre beiden Holzpferdchen vergessen hatte. Rasch huschte sie noch einmal ins Haus, die Treppe hinauf in die Kammer, steckte die beiden Figuren in ihre Schürzentasche und wollte eben die Stiege wieder nach unten, als sie aus der offenen Stube heraus den Einödbauern sagen hörte: «Hast eigentlich was in Erfahrung bringen können über der Theres ihre Mutter?»
    «Leider ja. Ich habe endlich

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