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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Bescheid bekommen vom Oberamt Münsingen. Dort war die Frau vor zwei Jahren in Arrest genommen worden, ihres Zustandes wegen hat man sie aber bald weggeschafft nach   …»
    Der Rest ging in Flüstern über. Theres verstand nur nocheinzelne Satzfetzen: «Kein Wort mehr – verrat nur ja nichts – sie glaubt, die Mutter sei verschollen oder tot.»
    «Das ist gewiss besser so», war die Antwort des Bauern, danach hörte sie die Männer nach draußen gehen.
    Theres verharrte auf dem Treppenabsatz, als habe sie der Blitz getroffen. Ihr Gefühl hatte sie also nicht getrogen: Ihre Mutter lebte! In Münsingen, ganz nah bei ihrem Heimatdorf, war sie gewesen! Aber – warum in Arrest? Was hatte sie verbrochen? Und was redeten die Männer da von einem Zustand, von Wegschaffen?
    «Theres! Wo bleibst du?»
    Die Stimme des Pfarrers klang ärgerlich. Noch immer völlig verstört von dem, was sie gehört hatte, hastete sie die Treppe hinunter, stotterte eine Entschuldigung und stieg in die Kutsche.
    «Ist dir nicht wohl?», fragte Konzet.
    «Doch, doch. Das ist bloß – die Aufregung.»
    «Das wird schon alles. Vergiss nur nicht: Am Samstag früh Schlag neun geht die Kutsche von Münsingen zurück nach Biberach, vor dem Hirschen in der Hauptstraße ist die Poststation. Wenn du dein Geld zusammenhältst, müsste es für die Passage auf dem Kutschbock reichen. Und verlier um Himmels willen nicht den Reiseschein. Als dann, behüt dich Gott!»
    «Behüt Sie Gott, Herr Pfarrer.»
    Dann waren sie mit offenem Verdeck losgefahren, hinein in den sonnigen Morgen. Ihr gegenüber saßen Balbina und die Magd, neben ihr August Wohlgschafft, dessen massiger Körper bei jedem Schlagloch und in jeder Kurve gegen Theres prallte. Anfangs war ihr das nicht einmal aufgefallen, so sehr war sie in Gedanken an ihre Mutter vertieft. So gut wie gar nichts wusste sie von ihr, nur dass sie als Landfahrerin umhergeschweift war, als man ihr die Kinder weggenommen hatte, und jetzt wohl soum die vierzig Jahre alt war. Und dass sie als junge Frau sehr schön gewesen sein musste. Ob Hannes wohl mehr wusste über ihr Schicksal?
    Irgendwann hatte der Einödbauer sie gefragt: «Wieso schwätzt du nix? Freust dich denn nicht auf deinen Bruder?»
    «Doch, sehr.»
    «Na, dann feiern wir das doch.»
    Sogleich hatte er die dickbauchige Bouteille entkorkt, die er zwischen den Füßen geklemmt hielt, und Theres so lange genötigt, bis sie hin und wieder einen kleinen Schluck von dem süßen, schweren Roten nahm. Immer enger war Wohlgschafft an sie herangerückt, immer alberner waren seine neckischen Scherze geworden, ohne dass sie es gewagt hätte, sich zu wehren. Schließlich musste sie dankbar sein, dass er sie mitgenommen hatte und sogar verköstigte. Trotzdem war sie heilfroh, als sie jetzt endlich, am späten Nachmittag, aussteigen durfte.
    Sie blickte der Reisekutsche nach, bis sie hinter einer Biegung verschwunden war, dann holte sie tief Luft. Sie war wieder daheim! Ihr großer Wunsch würde sich erfüllen: Nach über sechs Jahren würde sie heute ihren Bruder wiedersehen, würde zwei Nächte und einen ganzen Tag an seiner Seite verbringen dürfen. Ob er ihr Brieflein, in dem sie den Besuch angekündigt hatte, wohl rechtzeitig erhalten hatte?
    Erwartungsfroh wanderte sie der tiefstehenden Sonne entgegen, durch die vertraute Landschaft, die so karg und rau wirkte und ihr doch viel näherstand als das liebliche, üppig grüne Oberland. Sie hatte keine Angst, ohne Begleitung zu wandern, schließlich war sie hier zu Haus, kannte bereits das nächste Dörfchen, hörte die Menschen rundum in der Sprache ihrer Kindheit schwatzen, und jedermann grüßte sie freundlich.
    Nachdem sie den Hochberg überschritten und das letzte Waldstück durchquert hatte, erblickte sie vor sich ihr Dorf. IhrHerz begann bis in die Schläfen zu pochen. Ganz kurz zögerte sie: Sollte sie zuerst in das Haus ihres Pflegevaters, wo Hannes noch immer wohnte, oder hinüber zur Wacholderheide, dem liebsten Ort ihrer Kindheit? Sie entschied sich für die Heide, die noch von den letzten Strahlen der Abendsonne beschienen war, wogegen das Dorf bereits im Schatten lag.
    Von weitem schon sah sie jemanden an den Felsen lehnen. Sie ließ ihr Bündel fallen, rannte quer über die Heide, rief dabei immer wieder «Hannes! Hannes!», bis sie vor ihm stand und die Arme um seine Schultern schlang.
    «Endlich», flüsterte sie unter Freudentränen. Sie spürte die Wärme seines Körpers, seinen Herzschlag unter

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