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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Konstantias quäkender Stimme verstummt waren, versammelte sich die Gouvernante mit den übrigen Kindern zum Plaudern und Sticken in der Wohnstube. Seit Wochen schon stickten die Mädchen für die Fahnenweihe des Liederkranzes einen buntenBlumenkranz auf weiße Seide. Alwina Schönfärber allerdings marschierte am Arm des Italieners hinüber in das kleine Bücherkabinett, um dort ihre wöchentliche Konversationsstunde in Italienisch abzuhalten.
    Theres machte sich daran, Treppenhaus und Flurboden zu kehren und feucht aufzuwischen. Dabei hörte sie immer wieder Alwina Schönfärbers glockenhelles Lachen aus dem Bibliothekszimmer dringen. Schließlich konnte sie ihre Neugier nicht länger im Zaum halten und schlich mitsamt dem Putzeimer vor die schwere Eichenholztür, um zu lauschen.
    «Attenzione: Tu – mi – piaci! », hörte sie Giacomos Samtstimme.
    « Tu – mi – piaci », wiederholte die Hausherrin.
    «Noch einmal: Tu mi piaci!»
    «Tu mi piaci. – Und was heißt das?» Jetzt klang ihre Stimme ganz rau.
    «Das bedeutet: Du gefällst mir.»
    Die Schönfärberin kicherte, dann war eine Zeit lang nur noch leises Rascheln wie von Kleiderstoff zu hören.
    «Mi piace molto. – Das gefällt mir sehr», hauchte die Männerstimme, und sofort kam das Echo der Schönfärberin: «Mi piace molto.»
    «Was tust du da?»
    Theres schrak auf. «Ich – ich putze, gnädiger Herr.»
    «Tja, das sehe ich. Hier schwimmt ja bereits alles.»
    Konrad Schönfärber versuchte streng dreinzublicken, was ihm wie immer misslang.
    «Ist meine Frau im Hause?»
    «Ja, Herr. Dadrinnen. Sie hat ihre Konversationsstunde in Italienisch.»
    «Ach, die Gute! Immer so fleißig. Nun, ich will sie nicht stören. Richte ihr aus, dass ich heute nicht zum Abendessenkommen werde. Außerordentliche Sitzung des Kirchenkonvents.»
    «Sehr wohl, Herr.»
    Die Schönfärberin und ihr Galan mussten wohl ihr Gespräch gehört haben. Mit fester, überlauter Stimme wiederholte die Hausherrin von nun an jeden Satz, das Kichern und das zärtliche Geflüster hatten aufgehört. Theres beeilte sich, fertig zu werden und zu Rösle in die Küche zu kommen, um ihr Bericht zu erstatten.
    «Siehst du? Und das ist noch gar nichts. Einmal hab ich die beiden unten in der Eingangsdiele beobachtet, wie sie sich im Dunklen geküsst haben.»
    «Ihr armer Mann», entfuhr es Theres.
    «Ach was. Der wird schon auch nix anbrennen lassen.»
     
    Am Palmsonntag überraschte Rösle sie in der Liebfrauenkirche mit bitteren Neuigkeiten.
    «Ich hab mich verlobt», flüsterte sie, mitten in der Lesung der Passion Christi. Theres taten bereits die Beine weh, denn hier in der Stadtkirche musste man Kirchenstühle gegen Geld pachten oder eben stehen.
    «Der Postpraktikant?»
    «Der doch nicht. Du glaubst gar nicht, wie dumm der ist.»
    «Wer dann?» Theres verstummte, als sich der Armenvogt näherte, der in seinem Nebenamt als sogenannter Kirchendussler kontrollierte, ob niemand während des Gottesdienstes schlief oder schwatzte. Als der Alte seine Aufmerksamkeit auf zwei keifende Hunde richtete, bohrte sie weiter:
    «Jetzt sag schon, wer ist es?»
    «Der Toni. Du weißt schon, der Arzneihausierer aus Tirol, der im Winter immer durchs Oberland zieht.»
    Theres starrte die Freundin verblüfft an. Sie kannte zwarden kräftigen, immer zu Scherzen aufgelegten Mann von der Haustüre her, aber dass sich zwischen ihm und der Köchin eine Liebschaft entwickelt hatte, davon hatte sie rein gar nichts mitbekommen.
    «Und was heißt das jetzt?»
    «Dass ich mit ihm nach Innsbruck gehe. Bald nach Ostern schon.»
    «Nach Innsbruck», wiederholte Theres tonlos.
    «Ja.» Rösles Wangen glühten vor Eifer. «Er will sich sesshaft machen dort, mit einem kleinen Ladengeschäft, und ich hab auch genug gespart die letzten Jahre.»

15
    Bürgerhaus in Ravensburg, Frühjahr 1840 – Frühjahr 1841
    Nachdem die Köchin kurz vor Pfingsten tatsächlich gekündigt hatte und nach Innsbruck gezogen war, wurde für Theres das Leben doppelt schwer. Zum einen traf Rösles Abschied sie viel härter, als sie es je vermutet hätte, zum anderen hatte sie nach ihrer Krankheit noch nicht die alten Kräfte zurückerlangt. Viel schneller als früher war sie müde und erschöpft, nachts quälten sie Schlaflosigkeit oder schlechte Träume, sie fühlte sich so einsam wie seit ihrer Zeit im Pfarrhaus nicht mehr. Hinzu kam, dass die neue Köchin, die rasch gefunden war, sich als altes, mürrisches Weib erwies. Vorbei war es mit

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