Die Bettelprophetin
und Farinzucker zu kaufen. Draußen wehte ein scharfer Wind, und da Theres in der Eile ihren Wollschal nicht finden konnte, band sie sich das laubfroschgrüne Seidentuch um den Hals. Auf der Treppe kam ihr die Hausherrin entgegen. Die starrte auf ihr Halstuch.
«Was soll der Aufzug? Willst du dich zum Soldatenluder machen?»
«Ich – ich weiß nicht, wo mein Wollschal ist», stotterte Theres.
«Ihr Mägde seid doch alle gleich! Bei der Arbeit unbotmäßigund faul, aber kaum geht’s aus dem Haus, putzt ihr euch auf und verdreht den Mannsbildern den Kopf. Eitel, liederlich und vergnügungssüchtig seid ihr – pfui!»
Sie riss ihr das Tuch weg.
«Aber – gnädige Frau – das haben Sie mir doch selbst geschenkt!»
«Dann nehm ich es hiermit wieder zurück. Und jetzt marsch, marsch!»
Als Theres vom Einkauf zurückkehrte, erwartete sie die Schönfärberin in der Küche mit verschränkten Armen und zusammengekniffenen Augen.
«Wie viel Geld hast du für den Krämerladen mitgenommen?»
«Einen Gulden und einen halben, wie Sie gesagt haben. Hier sind die zehn Kreuzer Rückgeld. Und hier das Zettelchen vom Krämer.»
Theres griff unter ihrer Schürze nach der Geldkatze und legte alles auf den Tisch.
«So! Und warum fehlt dann in der Cassa ein Viertelgulden?» Sie zog das Kästchen mit dem Marktgeld heran. «Zum zweiten Mal in dieser Woche! Hältst du mich für so blöde und glaubst, dass ich nicht täglich kontrolliere, seitdem du die Einkäufe machen darfst?»
Dieser Vorwurf war ungeheuerlich. Niemals hätte sie sich an fremdem Geld vergriffen. Ob etwa Rösle …? Nein, ausgeschlossen. Entschieden schüttelte sie den Kopf, was sowohl ihr selbst als auch Rösle galt.
«Du leugnest also? Und wie hast du dann das Zuckerzeug bezahlt, das ich in deiner Truhe gefunden habe?»
«Das – das hat mir der Adam aus dem Detailgeschäft geschenkt, neulich mal.»
Das war die reine Wahrheit. Der Sohn des Ladenbesitzershatte nämlich ein Aug auf sie geworfen. Zumindest behauptete das die Köchin.
Im nächsten Augenblick schlug Alwina Schönfärbers Hand gegen ihre Wange, dass es nur so klatschte. Entsetzt starrte Theres sie an.
«Wie gemein Sie sind», presste sie hervor, dann rannte sie aus der Küche hinauf in ihre Kammer. Wenig später erschien die Köchin, die offensichtlich alles mitbekommen hatte, und setzte sich neben sie aufs Bett.
«Mach dir nichts draus. Mich hat sie anfangs auch immer verdächtigt zu klauen.»
«Aber du glaubst mir doch?»
«Natürlich. Ich hab auch schon einen Verdacht. Die Maximiliane schleicht sich vor dem Schlafengehen immer nochmal in die Küche und trinkt einen Becher Milch. Ich bin mir sicher, die weiß längst, dass das Marktgeld hinter dem Dinkelsack versteckt ist. Gib acht: Heut Abend wird sie’s nicht wagen, aber morgen verstecken wir uns in der Vorratskammer und warten. Dann können wir sie auf frischer Tat ertappen.»
«Selbst wenn – die Schönfärberin wird uns niemals glauben.»
«Du hast recht. Wir bräuchten einen Zeugen.»
«Vielleicht den Klaudius?»
«Gute Idee! Ich frag ihn gleich, ob er mitmacht. Er kann die Maximiliane eh nicht leiden.»
Klaudius erklärte sich tatsächlich einverstanden. Den nächsten Abend hockten sie umsonst in der dunklen, kalten Kammer, wobei sich Klaudius für Theres’ Empfinden unnötig eng an sie drängte. Doch schon einen Abend später hörten sie nackte Füße über den Dielenboden tapsen. Unter dem Türspalt der Vorratskammer hindurch schimmerte ein schwacher Lichtschein, jemand hantierte leise in der Küche herum. Bald darauf öffnetesich die Tür zur Vorratskammer – und in der Tat: Im Schein einer Kerze erkannten sie Maximiliane.
Vor lauter Angst, vorzeitig entdeckt zu werden, presste sich Theres nun selbst an Klaudius. Aber die Haustochter ging zielstrebig auf den Dinkelsack in der anderen Ecke der Kammer zu, griff darüber hinweg und zog das Kästchen hervor. Klaudius sprang auf und packte sie beim Arm. Vor Schreck stieß Maximiliane einen gellenden Schrei aus.
«Brauchst gar nicht so zu brüllen, du Diebin!», zischte der Junge wütend.
«Ich wollte doch nur – ich – ich …» Das Mädchen fing an zu heulen.
«Was ist denn hier los?»
Alwina Schönfärber stand im Türrahmen.
«Mutter, stell dir vor: Die Maximiliane war’s! Wir haben sie überrascht, wie sie ans Marktgeld gegangen ist.»
Die Hausherrin sah fassungslos in die Runde.
«Das hat Konsequenzen, meine Liebe. Nein, wie abscheulich!»
Am
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