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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Chocolade-Fabrikanten Hoffmann verlobte, die fortan mit ihm im Laden stand. Wie um Theres zu quälen, schickte die Herrin sie nun fast täglich wieder dorthin, Besorgungen zu machen. Auch wenn Theres niemals in den schüchternen Jungen verliebt gewesen war, so verletzte es sie doch, dass Adam ihr künftig nicht einmal mehr ein Lächeln schenkte. Kurz darauf dann hatte Klaudius sein Lyzeum beendet und wurde zum Herbst hin in das Tübinger Stift aufgenommen.
    «Ich werd dich vermissen», hatte er ihr zum Abschied ins Ohr geflüstert, und sie wusste, dass es ihr genauso gehen würde. Dafür kehrte zu Martini Kornelie nach Hause zurück. Sie hatte sich kein bisschen geändert, im Gegenteil: Wenn sie etwas bei ihrer Gastfamilie gelernt hatte, dann Befehle zu geben. Es konnte vorkommen, dass Theres mitten in der Nacht von ihr geweckt wurde, weil sie nach einer Tasse heißer Milch verlangte, oder dass Kornelie sie auf den Wochenmarkt zum Einkauf kommandierte, um sie gleich darauf ein zweites und ein drittes Mal loszuschicken, während im Haus die Arbeit liegenblieb. In solchen Momenten malte sich Theres aus, wie Kornelie vor ihren Augen unter die Räder eines Fuhrwerks geriet oder rückwärts die Treppe hinunterstürzte und sie, Theres, sich nicht einmal nach ihr bückte.
    Der Winter kam, und seine kalten, dunklen Tage steigertenTheres’ Verzweiflung nur noch mehr. Sie musste fort von hier, doch hatte sie keinerlei Vorstellung, wohin. War sie damals im Pfarrhaus in einer Art dumpfen Trägheit versunken, so hatte nun eine nervöse Unruhe von ihr Besitz ergriffen. Ihre Bewegungen wurden fahrig, Gegenstände glitten ihr aus der Hand, sie fing eine Arbeit an, bevor die andre beendet war, nachts schreckte sie aus dem Schlaf hoch, das Essen schmeckte ihr nicht mehr. Hinzu kam ein hartnäckiger Husten zum Jahreswechsel, der sie bis zum Rest der Winterzeit nicht mehr losließ.
     
    Anfang Mai kam das Fass zum Überlaufen. Die freundliche Jahreszeit hatte spät genug begonnen, dafür brach sie nun mit fast sommerlicher Wärme über das Land. Die Schönfärbers hatten für diesen Sonntag beschlossen, eine Kutschfahrt an den See zu unternehmen, da Klaudius seinen Besuch angekündigt hatte. Alle waren eingeladen mitzukommen, selbst die Gouvernante und die neue Köchin – nur Theres nicht. Vielleicht hätte sie das unter anderen Umständen traurig gestimmt, inzwischen aber konnte man ihr kein schöneres Geschenk machen. Sie würde einen ganzen Tag lang ihre Ruhe haben, und sie wusste auch bereits, was sie tun würde.
    Ein paar Tage zuvor hatte sie nämlich im Bibliothekszimmer ein Buch entdeckt, dessen Titel so verheißungsvoll und befremdlich klang, dass sie sich vorgenommen hatte, darin zu lesen. Es war von einem gewissen Gottfried August Bürger und hieß:
Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzüge und lustige Abentheuer des Freyherrn von Münchhausen
,
wie er dieselben bey der Flasche im Cirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegt.
    Sie hatte den Band einfach an sich genommen und in ihrer Kammer unter der Matratze versteckt. Bei der Unzahl von Büchern würde das ohnehin niemandem auffallen, und nachdemsie ihn gelesen hatte, wollte sie ihn unbemerkt zurückstellen an seinen Platz.
    Am Sonntagmorgen musste sie vor Sonnenaufgang aufstehen und, statt die Heilige Messe zu besuchen, alles für die Brotzeit am See vorbereiten. Zusammen mit der Köchin briet sie Fleisch und Speck, kochte Kraut ein, Erdäpfel und Linsen, füllte Wein und Bier in Flaschen und süßes Kompott in Gläser.
    «Dafür kannst ja dann den ganzen Tag faul herumliegen», hatte Kornelie mit einem hämischen Grinsen erklärt, als sie den Kopf zur Küchentür hereinstreckte und Theres zur Eile antrieb.
    Pünktlich nach dem Kirchgang der Schönfärbers wartete die Kutsche unten in der Marktgasse. Theres half noch, die Körbe und Kisten hinunterzutragen, dann hatte sie frei. Zu ihrem Erstaunen scheuchte Alwina Schönfärber sie zurück ins Haus und legte von außen den Riegel vor.
    «Du willst das Mädchen doch nicht einsperren?», hörte Theres den Hausherrn fragen.
    «Auf diese Weise können wir sicher sein, dass nichts wegkommt. So oder so», die Hausherrin lachte höhnisch, «kommt kein Dieb hinein und unsere Theres nicht hinaus.»
    Theres ballte die Fäuste. Man hielt sie also eingesperrt wie eine Verbrecherin! Sie ging zur Tür neben dem Kontor, die in den kleinen Hof führte, doch auch die war verschlossen. Nicht mal den Abort oder das Privet, wie

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