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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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übermannt und zum Kriegsgefangenen gemacht zu werden. Ja, was noch schlimmer war, aber doch immer unter den Türken gewöhnlich ist, ich wurde zum Sclaven verkauft   …
    Gleich einer Horde Wildschweine sah Theres die Türken durch das Lager rasen, sie hieben mit ihren Prügeln und Säbeln um sich, brüllten laut durcheinander, einer rief: «Wo ist unser Gefangener? Ab mit ihm auf den Sklavenmarkt!», dann eine andere Stimme, eine schrille Frauenstimme: «Mein Buch! Mein Geburtstagsgeschenk! Mutter!»
    Benommen öffnete Theres die Augen und blickte geradewegs in Kornelies empörtes Gesicht. Die hielt das Buch gegen die Brust gepresst, als sei es ein Schatz, den ihr jemand entreißen wollte.
    «Mutter!», begann Kornelie wieder zu schreien.
    «Was ist denn los?»
    Im Türrahmen erschien Alwina Schönfärber, das Gesicht von der Sonne rotverbrannt, hinter ihrem Rücken Klaudius.
    «Sie hat meinen Münchhausen gestohlen! Dieses Luder hat mein Buch gestohlen.»
    «Ist das wahr?»
    «Nein, gnädige Frau, ich hab’s doch nur geliehen. Ich wollte ein bisschen lesen, nachdem ich alles aufgeräumt hatte.»
    «Wie kommst du an das Buch, wenn doch das Bücherkabinett verschlossen ist?»
    Theres schwieg. Wenn sie jetzt zugab, dass sie es bereits vor Tagen mitgenommen hatte, würde alles nur noch schlimmer.
    «Impossibel! Wahrhaft impossibel! Los, raus aus den Federn, du faules Stück.»
    Mit zitternden Knien stieg Theres aus dem Bett, als die Schönfärberin ihr das Buch auch schon rechts und links gegen die Ohren knallte. Theres taumelte gegen die Wand, der nächste Schlag traf ihre Schläfe, dann den Hinterkopf, dann wiederum die Schläfe, bis sie schließlich mit lauten Schmerzensschreien zu Boden sank.
    «Hör auf, Mutter!» Klaudius sprang dazwischen und stellte sich schützend vor Theres. Kornelie begann zu heulen.
    «Mein schöner Münchhausen.»
    Sie klaubte das Buch vom Boden auf. Etliche Seiten lagen lose daneben.
    «Bring sie in den Keller!», befahl die Hausherrin ihrem Sohn. «Dort bleibt sie bis morgen früh.»
    Mit Klaudius’ Hilfe rappelte sich Theres wieder auf. Ihr Schädel schmerzte, als sei sie kopfüber die Treppe hinuntergestürzt.
    «Und den Schaden ersetzt du obendrein.»
    «Aber Mutter», wagte Klaudius erneut zu widersprechen. «Sie hat doch das Buch gar nicht kaputt gemacht. Sie wollte es nur lesen.»
    «Halt bloß den Mund! Das wird ja immer schöner. Eine tumbe Magd klaut unsere kostbaren Bücher, um zu lesen, statt zu arbeiten, und mein Herr Sohn verteidigt sie auch noch! Das hat Folgen für euch beide, das schwör ich euch.»
    Hasserfüllt starrte Theres die Frau an.
    «Rühren Sie mich nie weder an! Nie wieder!»
    «Hoho! Die Magd wird aufmüpfig? Soll ich dir etwa die aktuelle Gesindeordnung vorlesen? Dir von meinen Rechten und deinen Pflichten erzählen?»
    «Das brauchen Sie nicht. Ich wollte sowieso gehen. Lieberauf der Straße betteln als noch einen Tag länger in diesem Haus arbeiten.»
     
    Theres verbrachte die Nacht auf dem blanken Kellerboden. Es war eisig kalt, und hätte ihr Klaudius nicht heimlich eine Decke gebracht, hätte sie sich wahrscheinlich eine Lungenentzündung geholt. Aber auch so waren ihre Glieder steifgefroren und die Kopfschmerzen inzwischen fast unerträglich, als die Köchin sie am Morgen aus ihrem Verlies befreite. Dafür stand ihr Entschluss jetzt felsenfest: Sie würde kündigen.
    Auf wackligen Beinen stapfte sie hinter der Frau die Kellertreppe hinauf, als es gegen die Haustüre klopfte.
    «Geh schon und mach auf», befahl die Köchin. «Und klopf dir die Schürze sauber. Du siehst ja aus wie ein Ferkel.»
    Draußen stand eine alte Magd mit einem leeren Korb.
    «Ich soll die Altkleider fürs Spital abholen.»
    Theres musste sich an den Türrahmen lehnen, so schwindlig war ihr.
    «Ist dir nicht wohl?»
    Die Magd musterte sie besorgt. Plötzlich kniff sie die Augen zusammen. «Maria?»
    «Nein, ich heiß Theres», hauchte Theres.
    «Ach, ich hätte schwören können   … Aber es kann ja auch gar nicht angehen. Das mit der Bronnerin muss bald zwanzig Jahre her sein, damals war ich ja noch verlobt.»
    «Die Bronner?» Theres umklammerte mit beiden Händen den Türrahmen. «Welche Bronnerin?»
    «Die Maria Bronner. Du siehst ihr so gleich, dass mir mein Gedächtnis jetzet gradwegs einen Streich gespielt hat. Ich hatt damals im Spital als Magd angefangen, als die Büttel sie gebracht haben. Das arme Ding – so zugerichtet war sie, dass ich sie erst mal zwei

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