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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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der Bank niederließ.
    «Ein Paar Strümpfe solltest du in zwei Tagen hinbekommen», hörte sie den Spitalvater sagen. «Aber wehe dir, du schluderst. Die Ann-Marie führt die Aufsicht hier, wenn ich nicht da bin. Bei Unbotmäßigkeit wird die Kost geschmälert, eine Arrestzelle haben wir im Übrigen auch. Und jetzt glotzt nicht so, ihr andern. Ihr seid nicht zum Spaß hier.»
     
    In ihren letzten Wochen im Spital, in denen Theres zwischen Schlafsaal, Speisesaal und Arbeitsstube pendelte, ohne je einen Fuß nach draußen zu setzen, begegnete ihr hin und wieder die alte Magd, vor deren Augen sie zusammengebrochen war und die, wie sie inzwischen wusste, Clara hieß. Im Heilig-Geist-Spitalwar sie das Mädchen für alles. Anfangs tat Theres so, als erkenne sie sie nicht, doch irgendwann hielt die alte Frau sie am Arm fest.
    «Mädle, was hetzt du denn immer so an mir vorbei? Weißt denn net mehr, wer ich bin?»
    «Doch, schon», murmelte Theres.
    «Weißt, ich wollt dich schon immer was fragen. Bist vielleicht verwandt mit der Bronnerin?»
    Stumm schüttelte Theres den Kopf.
    «Schade. Ich hätt so gern gewusst, was aus der armen Frau geworden ist. Sogar die Kinder hatt man ihr weggenommen.»
    Theres spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. «Wie lange – wie lange war sie denn hier?»
    «Net so lang. Sie kam bald ins Bruderhaus drüben, zur Zwangsarbeit. Da hab ich ihr manchmal was zu essen gebracht, sie war doch so zart und kränklich. Und dabei so ein feiner Mensch, immer hilfsbereit und freundlich.»
    «Bitte!», stieß Theres hervor. «Ich will das nicht hören.»
    «Warum wirst jetzt so bleich? Kennst sie doch?»
    «Nein!» Theres’ Stimme wurde schrill. «Hören Sie auf mit dieser Frau! Lassen Sie mich in Ruh!»
     
    Pünktlich zum Ravensburger Liederfest Ende Juni schrieb der Amtschirurg sie für gesund, und die Armenkommission entließ sie aus der Obhut des Spitals.
    Es war die alte Magd gewesen, die Theres die Stellung bei Wagnermeister Anton Senn vermittelt hatte. Clara hatte in Ravensburg ihr ganzes langes Leben verbracht und kannte hier Gott und die Welt. Obwohl sie nur eine einfache Frau war, hatte sie in den Bürgerhäusern einen guten Ruf, und man achtete auf ihre Meinung. Auf diese Weise hatte Clara schon manch eine der Hospitalitinnen in Lohn und Brot gebracht.Für Theres schien sie sich ganz besonders verantwortlich zu fühlen, auch wenn sie zum Glück nie wieder ein Wort über Maria Bronner verloren hatte. Auch wenn Theres wusste, dass sie ihr einiges zu verdanken hatte, ging ihr Claras mütterliche Fürsorge gehörig gegen den Strich, erst recht, als sie sich auf die Suche nach einer Anstellung für sie machte. Immerhin war Theres ein Leben lang ohne eine Mutter ausgekommen. Und so folgte sie nun fast widerwillig dem Spitalvater ins Amtslokal der Armenstiftung. Dort würde Anton Senn auf sie warten, um sie in Augenschein zu nehmen.
    «Ich rate dir, betrag dich ordentlich», knurrte der Spitalvater. «Der Wagner ist ein angesehener Mann in der Stadt, und wenn er dich nimmt, kannst du von Glück sagen. Hast du deine Zeugnisse?»
    «Ja.» Theres holte den Umschlag aus ihrer Schürzentasche. Sie musste an das Pfarrhaus und an Peter Konzet denken. Wie gut hatte sie es im Grunde dort gehabt – wäre dieser Mann nur ein bisschen weniger schwermütig gewesen! Im Gegensatz zu Konzet hatte die Schönfärberin ihr ein höchst miserables Zeugnis ausgestellt: Sie zeige wenig Fleiß und sittliches Betragen, verbunden mit grobem Benehmen. Damit würde dieser Wagnermeister sie ohnehin nicht haben wollen.
    Anton Senn war ein kräftiger, dunkler Mann mit Backenbart und kurzsichtigen Augen, die er beim Gespräch ständig zusammenkniff. Dadurch wirkte er auf den ersten Blick grimmig und unnahbar, doch sein Händedruck war fest und seine Begrüßungsworte überraschend freundlich.
    «Du bist also die Theres Ludwig, von der die gute Clara erzählt hat. Wie alt bist du?»
    «Im Herbst werd ich siebzehn.»
    «Ein bissle dürr scheinst mir. Wo warst vor deiner Krankheit?»
    «Bei den Schönfärbers in der Marktgasse.»
    Senn lachte auf. «Dann wundert mich nix. Bei der Alwina ist Schmalhans Küchenmeister, zumindest fürs Dienstpersonal. Wie lange hast es denn dort ausgehalten?»
    «Fast zwei Jahre.»
    «Oho! Immerhin.»
    Danach folgten Fragen, ob sie auch kochen und nähen, rechnen und schreiben könne.
    Nachdem Theres alles bejaht hatte, wollte sie ihm die Zeugnisse reichen. Der Wagnermeister winkte ab.
    «Lass

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