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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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das Milchmädchen, das sie zum Essen gerufen hatte, waren alle um einiges älter als sie.
    Gerade wischte sie mit ihrem Brot den letzten Rest Suppe aus dem Napf, da sprang die Tür auf, und das rothaarige Mädchen trat herein.
    «Na, Sephe, hast noch Hunger?», fragte freundlich der ältere Knecht. Das Kind schüttelte den Kopf und setzte sich Theres gegenüber. Unverhohlen starrte es die neue Magd an.
    Theres musste lachen. «Sephe heißt du also.»
    «Eigentlich Josepha. Bist jetzt endlich fertig mit Essen?»
    «Warum fragst?»
    «Weil du mir doch was zeigen wolltest.» Sephe hob die Hand mit dem zusammengerollten Seil hoch.
    «Ach das. Na gut.» Sie stand auf und spülte ihren Napf im Wasserbecken aus. «Und wo sollen wir seilhüpfen?»
    «Draußen in der Diele. Die ist groß genug.»
    Die Köchin hielt sie mit griesgrämigem Gesicht auf. «Dass du in einer Viertelstunde in der Stube bist, gell. Zum Kleiderflicken.»
    Theres nickte nur und folgte dem Kind nach draußen.
    «Du zuerst», befahl Sephe.
    Mit beiden Beinen gelang es Theres noch recht gut, den Takt zu halten, aber auf nur einem Bein verhedderte sie sich ständig im Seil. Sephe lachte.
    «Jetzet schau, wie ich das kann.»
    Gleich einem Wirbelwind schleuderte das Mädchen das Seil um den kleinen Körper und hüpfte dabei auf ihrem gesunden Fuß in die Höhe. Tack – tack – tack, machte das Seil auf dem Bretterboden, dann kreuzte Sephe, ohne anzuhalten, die Arme und sprang weiter durch die enge Schlaufe.
    «Achtundzwanzig, neunundzwanzig – dreißig!» Keuchend blieb sie stehen.
    «Großartig! Und zählen kannst du auch schon.»
    «Gell! Und das, obwohl der Vater mich nicht in die Schule lässt.»
    «So war das bei mir auch. Aber jetzt kann ich trotzdem lesen und schreiben.»
    «Ich auch. Mein großer Bruder hat’s mir beigebracht. Kennst den schon?»
    «Nein.»
    «Macht nix. Der ist sehr nett, wirst sehen. Aber dich wird er nicht nehmen wollen, der hat schon ein Mädchen.»
    Sephe hockte sich auf den Boden. Ihre Miene wirkte auf einmal bekümmert.
    «Ich werd nie heiraten können. Weil ich doch einen Krüppelfuß hab.»
    «Unsinn!» Theres setzte sich neben sie. «Vielleicht wird der Fuß ja wieder besser. Du bist doch noch ganz jung. Und hübsch bist du auch.»
    Sephe schüttelte ihre roten Locken. «Der Arzt sagt, das wird nicht mehr.»
    «War es ein Unfall?»
    «Nein. Ich hab’s schon von der Geburt.»
    «Sei nicht traurig. Soll ich dir mal was sagen? Mein Bruder Hannes hat auch so einen Krüppelfuß. Aber er kann trotzdem alles machen und wird auch eines Tages heiraten.»
    «Hat er denn schon eine Braut?»
    «Nein, ich glaube nicht.»
    «Siehst du? Sag ich doch – solche wie uns will keiner.» Sephes Zeigefinger zeichnete die Maserung der Dielenbretter nach. Plötzlich lächelte sie. «Aber vielleicht könnte er ja mich heiraten, wenn ich groß bin. Ist er nett?»
    «Sehr nett.»
    «Gut. Dann soll er einfach warten, bis ich alt genug bin zum Heiraten.»
    Theres war zum Lachen und Weinen zugleich. «Weißt was? Ich erzähl ihm von dir und deinen Plänen. Im Spätsommer will ich ihn nämlich besuchen gehen, oben auf der Alb.»
     
    Der Sommer gab sich außergewöhnlich kühl und feucht. Theres war froh um die zehn Milchkühe unterhalb ihres Strohlagers, die sie des Nachts mit ihren Ausdünstungen wärmten. Ihre Arbeit hier im Stall war ungleich härter als die eines Stubenmädchens. An manchen Tagen, wenn der Hof vor den Stallungen im Matsch versank und es nicht aufhören wollte zu nieseln, fühlte sie sich selbst wie eines der Schweine, von Kopf bis Fuß bespritzt mit Gülle und Schlamm. Sie trug tagaus, tagein ihr altes Kleid, zum Wechseln hatte sie keines. Ihr eigenes Paar Schuhe wollte sie schonen und ging daher immer barfuß, weil der Bauer sich weigerte, ihr feste Stiefel zu beschaffen. Als sie ihn einmal um Seife und Handtuch gebeten hatte, damit sie sich vor dem Schlafengehen wenigstens am Trog waschen konnte, hatte der Mann nur gelacht. «Dem Stroh tut’s nix, wennst dich mit dreckigen Füßen reinlegst. Die Kühe stört’s net, wennst nach Sau stinkst. Und Mannsbilder wirst ja wohl net empfangen wollen da heroben, oder?»
    Großbauer Zinstag war in der ganzen Gegend als Geizhals bekannt. So hätte er sehr wohl noch ein zusätzliches Bett in eine der Dachkammern stellen können, aber dazu schien ihmwohl jeder Heller zu schade. Zum Glück hatte Theres wenig mit ihm zu schaffen. Ihre Anweisungen erhielt sie vom Altknecht, und über den

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