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Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Titel: Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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aufmarschierten.
    Dann begann Cunningham-Blyth abzubauen. Nachdem er eine Zeit lang zwischen Wach und Weggetreten hin und her driftete, war er zur Sperrstunde hin vollständig komatös. Shannon sagte zu Skinner: – Ich geh nach Haus. Allein, fügte sie hinzu, da sie normalerweise zu dieser Stunde des Abends seine Annäherungsversuche zurückweisen musste.
    – Aye, na schön, sagte Skinner. – Ich werd mal sehen, dass ich den alten Knaben in ein Taxi gepackt bekomme.
    Shannon war ein wenig enttäuscht, dass sie sich nicht Skinners leidenschaftlicher Avancen hatte erwehren müssen, doch seine Hilfsbereitschaft gegenüber dem alten Trunkenbold ließ ihn in ihrer Achtung steigen.
    Skinner hatte es geschafft, Cunningham-Blyth wiederzubeleben, und führte mit ihm nun ein kleines Tänzchen auf, einmal über die Straße und runter zum Bahnhof, wo er ihn dann in einem Taxi verstaute, bevor ihm wieder die Lichter ausgingen. Es war eine Slapsticknummer, deren Hauptdarsteller sich abwechselnd in Schmeicheln, Drohen, Beschwichtigen und Betteln übten. Bevor ihn das Alkoholkoma dahinraffte, hatte es der ehemalige Küchenchef noch geschafft, eine Adresse in der Dublin Street zu bellen. Der anstrengendste Teil war, ihn aus dem Taxi und die Treppe hochzukriegen. Es folgte eine entsetzliche Schlüsselsuche in den Taschen des Küchenveteranen, doch Skinner biss die Zähne zusammen. Das Treppenhaus war ein Albtraum: Cunningham-Blyth war sperrig, zudem verlagerte er jedes Mal sein Gewicht, wenn er halb zur Besinnung kam, um dann wieder in den Stupor seines Vollrauschs zurückzusinken. Einmal glaubte Skinner, sie würden gleich gemeinsam die Stufen herunterstürzen oder noch schlimmer, mit dem Kopf voran übers Geländer gehen.
    Nach dem Martyrium, ihn in die Wohnung und ins Bett zu schaffen, beschloss Skinner, Cunningham-Blyths Bleibe zu erkunden. Sie war recht geräumig, ein großer, gut möblierter Salon und eine eindrucksvolle Küche mit Kochinsel. Dieser Raum wurde allerdings nicht häufig benutzt; offene Dosen, herumliegende Takeaway-Packungen und leere Bierdosen zeugten davon, dass Sandys Partys auch nicht mehr so todschick waren wie ehedem.
    Hier stinkt’s ja saumäßig .
    Skinner wollte gerade gehen, da hörte er etwas und ging nachsehen. Unverkennbare Kotzgeräusche, und dann sah er Cunningham-Blyth in die Toilette am Ende des Flurs reihern, die Hose auf den Knöcheln. – Alles okay, Kollege?
    – Ja … Cunningham-Blyth wandte sich langsam um und streckte alle viere von sich, den Rücken gegen den Pott gelehnt. Skinner traute seinen Augen nicht. Der alte Küchenchef zuckte wie eine Marionette, und damit der Ähnlichkeiten nicht genug, ihm fehlten auch Genitalien: dort, wo sie eigentlich hätten hängen müssen, war nur ein hässliches, rotgelbes Narbengewebe. Bei genauerer Betrachtung glaubte Skinner einen Hodensack zu erkennen, der etwas beinhalten mochte oder auch nicht, aber eindeutig keinerlei Penis. Aus dieser entzündeten Masse entsprang ein Schlauch, der in einem Plastikbeutel endete, der an einem Gürtel um die Hüfte befestigt war. Vor Skinners Augen füllte sich der Beutel mit einer gelben Flüssigkeit.
    Durch seinen besoffenen Tran konnte der Kochveteran Skinners Entsetzen erkennen und begriff sofort dessen Ursache. Gegen den Beutel stupsend lachte er. – Wie oft hab ich das alte Scheißding heute Abend leer machen müssen … aber immerhin hab ich dran gedacht. Manchmal vergess ich es, und dann platzt er auf. Neulich zum Beispiel, da gab es nen ausgesprochen unerfreulichen Zwischenfall …
    Skinner war bestürzt. – Was ist Ihnen denn passiert?
    Als habe ihn seine Verlegenheit ernüchtert, zog sich Cunningham-Blyth die Hosen hoch und schaffte es irgendwie, sich auf den Rand der Kloschüssel zu setzen, wo sein Hintern dann wacklig thronte. Für einen Moment herrschte Schweigen. Als er wieder zu reden begann, tat er das in abgehacktem, knappen Tonfall. – Als junger Mann in den Sechzigerjahren begann ich mich für Politik zu interessieren. Besonders für den Unabhängigkeitsgedanken. Ich fragte mich, wieso der größte Teil Irlands unabhängig war, während Schottland immer noch unter der Knechtschaft der englischen Krone stand. Ich sah, wie in der New Town aufgrund der schottischen Speichelleckerei alle Straßen nach Mitgliedern des englischen Königshauses benannt waren, während große Söhne Edinburghs, wie etwa der Sozialistenführer James Connolly, gerade mal eine Gedenktafel an einer Mauer unter einer

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