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Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Titel: Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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gesund gewesen. Sie war eine nervöse Frau, anfällig für Virusinfektionen, und ihre blasse, fast durchsichtige Haut hatte oft einen Stich ins Grünliche. Von gewissen Gerüchen wurde ihr sofort übel, und vor öffentlichen Toiletten ekelte es sie besonders. Fast schien es, als entwickele sie ihre häufigen Krankheiten als Solidaritätsbekundung, zuerst mit ihrem Gatten, dann mit ihrem Sohn. Egal wie oft sie sich das Haar wusch, es war immer entweder dünn und fettig oder trocken und brüchig.
    Sie wusste, dass Keith Trinker gewesen war, bevor er sie kennen gelernt hatte. Über die Anonymen Alkoholiker hatte er zur Kirche gefunden und über die Kirche zu ihr. Als seine Krankheit schlimmer wurde, hatte Joyce angenommen, der frühere exzessive Alkoholkonsum hätte seine inneren Organe geschädigt, aber das, was nun mit Brian vorging, ließ sie das Hinscheiden ihres Mannes überdenken.
    Joyce liebte ihre Kinder heiß und innig, war sich aber bewusst, dass diese, nachdem Keith nicht mehr war, ihr Bemuttern weniger geduldig hinnehmen würden. Sie wusste, dass sie oft ihre Ängste auf sie projizierte, und kämpfte sehr darum, diesem für sie natürlichen Impuls nicht nachzugeben. Besonders in Caroline erkannte Joyce die Kraft ihres verstorbenen Mannes wieder, und sie wollte das Mädchen nicht durch ihre eigene Schwäche herunterziehen oder belasten. Dennoch, in letzter Zeit war Caroline mehrfach übernächtigt und nach Alkohol riechend nach Haus gekommen; Joyce hatte das bemerkt, konnte es aber nicht ganz verstehen. Sie hatte sich im Geiste notiert, dieses Thema einmal anzusprechen, doch wie so viele ihrer zerebralen Memos an sich selbst war es in einem Nebel der Verzweiflung verloren gegangen.
    Ihr Leben war immer von Angst bestimmt gewesen. Sie war in Lewis als Mitglied der Schottischen Freikirche aufgewachsen, wo man ihr Gottesfurcht im wahrsten Sinne des Wortes eingebläut hatte. Der Schöpfer war für sie in erster Linie ein strafender, und wenn einem Schlimmes widerfuhr, machte man sich erst einmal Gedanken, wodurch man seinen Zorn erregt hatte. Weil niemand sonst da war, den man für Brians Zustand verantwortlich machen konnte, nahm Joyce die Schuld auf sich. Sie befürchtete, sie habe ihn verdorben und irgendwie sein Immunsystem geschwächt, weil sie ihn so in Watte gepackt hatte. Ihre einzigen anderen Strategien neben dieser Selbstgeißelung bestanden darin, auf die Fachärzte zu hören und zu beten.
    Obwohl sie immer noch nicht klüger waren, was die Ursache und mögliche Therapien für Brians Leiden betraf, gelangten die Ärzte, die seinen Zustand beobachteten, doch zu einer gewissen Übereinstimmung. Es schien – ganz einfach ausgedrückt –, als würde Brian von innen her verfaulen. Gehirn, Kehle, Brust, Lunge, Herz, Nieren, Leber, Bauchspeicheldrüse, Darm hatten begonnen, sich aufgrund einer permanenten Überlastung zu zersetzen. Doch die genaue Ursache lag weiterhin im Dunkeln.
    Ihr Verhältnis zu Elder Allen und Elder Clinton (es wirkte so seltsam, junge Männer derart zu bezeichnen) hatte sich ein wenig abgekühlt, und die beiden kamen ungeachtet der gigantischen Mahlzeiten, die sie ihnen vorsetzte und die von beiden sehr geschätzt wurden, nicht mehr so häufig. Es hatte sie irritiert, dass Joyce versucht hatte, ihnen Schriften der Schottischen Freikirche aufzudrängen, in denen das Book of the modern Testament als teuflische Häresie bezeichnet wurde, als Verkündigung falscher Propheten. Ihr religiöser Eifer beunruhigte die jungen Missionare, denn schließlich waren sie ja gekommen, andere zu bekehren, nicht um selbst bekehrt zu werden.
    Oben in seinem Schlafzimmer versuchte Brian, sich an die Ratschläge der Masturbationsbroschüre zu halten. Aber als er sich die Gedanken an Lucy austreiben wollte, indem er Harvest Moon spielte, begegnete er im Dorf Muffy und sein Mund wurde ganz trocken.
    Sie ist doch nur eine virtuelle Figur … sie ist nur eine Computer grafik … es ist bloß ein Spiel …
    Joyce hatte keinen Schlaf finden können und war deshalb hinunter in die Küche gegangen, um etwas zu essen zu machen. Während sie im Geiste religiöse Fragen wälzend ihre Schottische Graupensuppe zubereitete, hatte Brian oben eine grausame Attacke. Schlaflos an seinem Computer hockend, hatte er Muffys Charme widerstanden und war mit einem Spiel schon halb durch. Er hatte vom Regen zerstörte Zäune repariert und Weizen geerntet, als plötzlich eine seltsame Benommenheit über ihn kam. Dann schien sich

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