Die Beute
»Sagte er nicht, ein Essen sei wohl nicht zu viel verlangt, dann würden sie ihre Sachen holen und verschwinden?« Sie stöhnte auf, als sie den Kopf verlagerte. »Nachdem sie uns gefesselt hatten, hat er gesagt: ›Jetzt schauen wir richtig nach.‹ Außerdem haben sie gesagt, dass sie hinter dem Haus anfangen wollten, weil sie schon genügend Zeit beim Weinschlabbern vertan hätten. Später hat Travis zu Kane in der Küche gesagt, dass sie das erledigen würden, weshalb sie gekommen seien. ›Dann bringen wir die Schlampen zum Schweigen und hauen ab.‹ In dieser Reihenfolge.« Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder, zwinkerte langsam und lächelte Jodie dann schwach an. »Beeindruckend, was? Wer sagt denn, dass man Steno braucht, um richtig zitieren zu können?«
Jodie erwiderte ihr Lächeln. »Wie geht es dir?«
»Es tut nur weh, wenn ich atme«, Lou sah Matt an. »Wie hieß der Mann, der ermordet wurde?«
»John.«
Sie presste ihre Fingerspitzen an die Schläfen. »Kane sagte, Kruger sei ein Arschloch gewesen. Und Travis sagte, sie hätten die Bezahlung abwarten und ihn nicht gleich zusammenschlagen sollen. Hieß der Mann John Kruger, Matt?«
Matt wandte sein Gesicht ab und starrte in eine leere Ecke des Schrankes. »Ja. Das war John Kruger. Und er war überhaupt kein Arschloch. Ganz im Gegenteil.«
Louise fing wieder an zu sprechen, hatte diesmal jedoch die Augen geschlossen, als wäre sie zu müde, um sie offen zu halten, doch ihre Stimme klang fest und nachdrücklich. »Also, was haben sie mit der Scheune hier zu tun, Matt?«
Er stand plötzlich auf. Das ging schnell, doch er brauchte ein paar Sekunden, um mit seinem verletzten Knie zurechtzukommen. Jodie beobachtete ihn, wie er versuchte, das Gewicht zu verlagern, und das Knie ein paar Mal beugte. Überlegte er, ob er gehen könnte, oder versuchte er, Zeit zu schinden?
»Matt?« Jodie wiederholte Louises Frage. »Was haben sie mit der Scheune zu tun?«
Sie zuckte zusammen, als er beide Hände gegen die Tür schlug. Am liebsten hätte sie gesagt: »Hey, alles in Ordnung.« Und dass er nicht so viel Lärm machen solle.
»Sie sagten, sie hätten als Kinder hier gewohnt«, sagte sie. »War das ihr Haus?«
Er drehte sich um und lehnte sich gegen die Tür. »Das war immer eine Scheune. Sie war vermutlich schon baufällig, als die beiden geboren wurden. Sie wohnten hier, bevor Travis zum Militär ging.« Er sah sich im Raum um, als könnte er immer noch nicht glauben, was aus der Scheune geworden war. Jodie beobachtete, wie er die Augen schloss und tief durchatmete. Als er wieder auf sie herabsah, schloss sie die Augen und fragte sich, ob sie tatsächlich hören wollte, was er zu sagen hatte.
»Vor sieben Jahren ist hier ein junges Mädchen verschwunden«, sagte er. »Wir gingen davon aus, dass die beiden an der Sache beteiligt waren. Wir haben die Scheune durchsucht, wollten sie abreißen lassen und hätten am liebsten eine Planierraupe reingeschickt, aber die Leute vom Kulturverein wollten das nicht. Wir haben das gesamte Gelände abgesucht.« Er hob seinen Blick zur gegenüberliegenden Wand und starrte sie an, dann sprach er weiter. »Kane hat sie ermordet. Das stand für mich außer Zweifel. Und Travis hat ihm dabei geholfen oder ihm geholfen, es zu vertuschen. Wir haben nie etwas gefunden, womit wir die beiden festnageln konnten. Einen Monat nach ihrem Verschwinden beschloss Travis, ein Patriot zu sein und zum Militär zu gehen. Kurz darauf erstach Kane einen Kerl bei einer Schlägerei in einem Pub und kam in den Knast. Kane saß seine Strafe ab, Travis wurde unehrenhaft entlassen. Jetzt ist John Kruger tot, sie sind hier und schlagen die Scheune kurz und klein, das ergibt alles keinen Sinn.«
28
Alle vier starrten Matt eine ganze Weile wortlos an. Jodie wusste nicht, was die anderen dachten, doch ihr ging das junge Mädchen nicht mehr aus dem Kopf – wie es in einer verlassenen Scheune mit Kane und Travis gefangen war.
Schon zuvor hatte sie die Brüder gefürchtet, doch jetzt, da sie wusste, dass sie getötet hatten, vermutlich sogar zwei Mal, gefror ihr das Blut in den Adern.
»Warum hat man Travis unehrenhaft entlassen?«, fragte Lou in die Stille hinein.
Jodie sah sie erstaunt an und fragte sich, weshalb sie das interessierte.
»Ich habe eine Zeitlang mit Soldaten verbracht. So schnell wird man da nicht entlassen. Hat er dort noch jemandem was angetan?«, fragte Louise.
»Beim Militär wurde er gerissener. Er hatte irgendwas mit
Weitere Kostenlose Bücher