Die Beute
überquerte. Kurz darauf knirschte der Kies, und Corrines gellender Schrei war zu hören.
Jodie drehte sich um und brauchte eine Weile, bis sie die Umrisse vor sich einordnen konnte. Corrine lag im Staub und mit ihr der Rollkoffer, eine kleinere Tasche lag auf ihr. Jodie ließ ihr Gepäck stehen und eilte ihr zur Seite.
»Ich habe mir den Knöchel verstaucht«, sagte Corrine mit schmerzverzerrter Stimme.
Jodie legte sanft ihre Hand unter Corrines Stiefelchen und stützte ihren Knöchel ab, nahm ihr die Tasche von den Schultern und half ihr sich aufzusetzen. »Wie schlimm ist es denn?«
»Es tut höllisch weh.«
»Kannst du die Zehen bewegen?«
Corrine brauchte einen Moment, um darauf zu antworten. »Ja. Ist er gebrochen?«
»Da du die Zehen bewegen kannst, ist er vermutlich nur verstaucht.«
»Ich meine den Schuh. Ist der Absatz abgebrochen?«
»Ist das dein Ernst?«
»Ja. Das sind italienische Stiefeletten. Die kosten ein Vermögen.«
Jodie fühlte unter den Schuh und ertastete einen herabhängenden Stöckel. »Ja, der Absatz ist abgebrochen.«
Sie blickte zur Hügelkuppe, die sich jetzt vor ihnen auftürmte, dann die Straße bis zur Kurve entlang und spürte wieder Angst hochsteigen. Dieser Standort war noch ungünstiger, zu nah an der Kuppe, zu nah am Straßenrand. Auf dieser Straßenseite wucherte das Gestrüpp bis an die Straße, und irgendwie war es hier auch dunkler. Sie brauchten gar keinen Irren, der auf einen billigen Kick aus war, um angefahren zu werden. Jeder, der etwas zu schnell über den Hügel kam, konnte sie niederpflügen. »Glaubst du, du kannst laufen?«
»Herrgott, Jodie. Ich habe mir gerade den Knöchel verstaucht. Gib mir wenigstens ein paar Sekunden.«
Jodie schloss die Augen. Corrine war sauer, doch das änderte auch nichts an ihrer Lage. Sie mussten weitergehen. Behutsam rieb sie Corrines Fußknöchel. »Tut mir leid. Ich weiß, wie weh das tut, aber hier sind wir nicht sicher. Wir sollten wenigstens ein Stück weiter vorne von der Straße weggehen.«
Corrine stieß Jodies Hand weg. »Wir hätten bleiben sollen, wo wir waren.«
Jodie sprang auf. »Nein, du hättest vorsichtiger sein müssen. Warum zum Teufel trägst du überhaupt hohe Absätze auf dem Land? Was hattest du denn erwartet? Einen Nachtclub?« Ihr Herz klopfte, und ihr Magen zog sich zusammen, als erwarte sie jeden Moment einen Hieb in die Magengrube.
Abrupt wandte sie sich um und ging ein paar Schritte den Straßenrand entlang. Was machst du da, Jodie? Corrine war einfach wie immer. Ihre Selbstbezogenheit war normalerweise Anlass für alle möglichen Witze. Doch jetzt hätte Jodie ihr am liebsten den Hals umgedreht. Herrgott noch mal, reiß dich zusammen. Es hilft nichts, wenn du die Fassung verlierst.
Sie ging zu Corrine zurück, die am Straßenrand saß und den verletzten Knöchel auf das Knie des anderen Beines gelegt hatte. Zornig streckte sie das Kinn in die Luft. Sie blickte nicht auf und sagte kein Wort. Mist, sie ist wirklich sauer, dachte Jodie. Sie stand am Straßenrand und starrte auf die gelbe Doppellinie, die hinter dem Hügel verschwand.
Jodie hatte schon lange nicht mehr solche Angst empfunden. Sie hatte all den Mist aufgearbeitet. Was zum Teufel war passiert? Begonnen hatte es mit dem Beinahezusammenstoß und der Tatsache, dass sie fast ihre besten Freundinnen umgebracht hatte. So etwas hätte jeden aus dem Gleichgewicht gebracht. Dazu kamen die Eile, die Schlüssel für das B & B zu holen, und der Umstand, dass sie mit Corrine zurückgeblieben war, die am wenigsten mit so einer Situation umgehen konnte. Und Jodie hatte es nur noch schlimmer gemacht. Sie hatte Corrine zu Tode erschreckt und sie in ihren knöchelbrecherischen Schuhen herumgezerrt.
Okay, Jodie, überleg noch mal. Mach etwas Vernünftiges.
Sie drehte um. Corrine saß noch immer stumm am Straßenrand. Zuerst musste sie diese verfahrene Situation wieder in Ordnung bringen. Corrine hatte keine Ahnung, was in Jodies Kopf vor sich ging. Das war auch nicht nötig – es war Jodies ganz persönliches Trauma, das sie einer Freundin nicht aufbürden wollte.
Die Hügel hoben sich als dunkle Linie vom nächtlichen Himmel ab, eine leichte Steigung führte nach oben. Und sie hatte Hannahs Handy in der Tasche. Sie zog es heraus und hielt es hoch. Kein Empfang. Jodie fuhr sich mit der Hand durch das Haar, das von der Nachtluft ganz feucht geworden war. Okay, es war immer noch besser, etwas zu tun, als nur herumzustehen. Sie ging neben
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