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Die Beute

Die Beute

Titel: Die Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Ford
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hatte.
    Travis zielte mit einer Waffe auf ihr Gesicht.
    Es war eine Handfeuerwaffe, sie sah groß aus. Er musste sie schon die ganze Zeit bei sich getragen haben. Waren beide bewaffnet? Sie wollte sehen, ob Kane auch eine Waffe auf sie gerichtet hatte, doch sie konnte nur weiter rückwärtskrabbeln, wobei ihre Schuhe auf dem polierten Holzfußboden immer wieder ausglitten und sich irgendwann etwas Scharfes in ihre Handflächen bohrte. Sie krabbelte weiter, bis sie ihren Rücken gegen die Wand und ihre Knie gegen ihre Brust stemmen konnte. Sie atmete kurz und heftig ein, als Travis die Waffe sinken ließ und mit dem kalten Lauf ihre Wange berührte, die er gerade geschlagen hatte.
    Ihr Körper hielt still. Sie schloss die Augen und befand sich nicht länger in der Scheune.
    Sie war wieder siebzehn und wartete auf den Tod.
    Nicht ihr Leben zog vor ihren Augen vorbei, sondern die Nacht, in der sie auf den Tod gewartet hatte. Als hätte jemand die Folie, unter der diese Erinnerungen hermetisch verschlossen gewesen waren, plötzlich aufgerissen. Bilder und Geräusche schossen ihr durch den Kopf. Angelas angstverzerrte Augen. Gemeines Gelächter. Füße, die auf Kies scharrten. Schmutz auf ihrem Gesicht. Brutales, kehliges Grunzen. Angies Schluchzen. Lauf, Jodie, lauf. Das Pochen in ihrem Magen und Blut, das auf ihre nackten Füße tropfte.
    »Verdammtes Miststück!«, schrie Kane nur Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt, Spucke spritzte über sie und riss sie aus dem Albtraum der Vergangenheit in die Gegenwart. Sie machte den Mund auf und schnappte nach Luft. Irgendwas in ihrer Nähe bewegte sich. Sie kniff die Augen fester zusammen und hörte zum ersten Mal Corrine schreien, während sie sich auf einen weiteren Schlag gefasst machte. Oder einen Schuss, der ihren Schädel zertrümmern würde.
    »Schnapp dir die anderen«, sagte Travis.
    »Verdammte Scheiße …«, fluchte Kane mit einer gewissen Erregung in der Stimme.
    »Schnapp dir die anderen«, grölte Travis erneut und stieß ihr die Waffe fester gegen die verletzte Wange.
    Nein. Nein. »Nein!«, versuchte sie zu schreien, doch es kam nicht mehr als ein Flüstern heraus. Erinnerungen blitzten auf. Louise und Hannah und Corrine und Angie und das Blut und das Grauen.
    Sie zwang sich, die Augen zu öffnen.
    Die Waffe war silberfarben, hatte einen schwarzen Griff und drückte fest gegen ihre Wange, sodass sie ihr teilweise die Sicht ihres linken Auges versperrte. Sie roch Travis’ Schweiß, abgestandenen Zigarettenrauch und Alkohol, etwas, das viel stärker war als ihr Weißwein. Egal, was es war, er hatte so viel davon getrunken, dass seine Klamotten danach stanken. Und jetzt hatte er eine Waffe in der Hand und drückte sie gegen ihr Gesicht. Blanke Angst machte sich in ihrer Brust breit. Sie sah an ihm vorbei zu ihren Freundinnen.
    Irgendwo zwischen Haustür und Flur standen Louise und Hannah eng nebeneinander an der Wand im Schutz der Sofas. Corrine sah sie nicht, doch als Kane durch den Raum ging, machte Louise einen Schritt voran, half ihr vom Boden auf und zog sie humpelnd in die Richtung, wo sie gestanden hatte.
    Jodie sah hilflos zu, wie Kane auf sie zustürmte. Sie klammerten sich aneinander, wichen zum Kaminsims zurück und zum Fenster. Louise streckte eine Hand aus. »Nein«, rief sie. Kane packte Corrine bei ihren langen Haaren und zog so fest daran, dass ihr Kopf seitwärts kippte. Sie schrie, stolperte nach vorne und verschwand aus Jodies Sicht. Hannah beugte sich herab, um ihr zu helfen, doch Kane scheuchte sie weg.
    »Geht da rüber!«, schrie er. Er stieß Louise in den Rücken. »Bewegung!« Er griff nach unten, Corrine schrie gellend auf. »Steh auf, du Schlampe!«
    Louise und Hannah halfen Corrine auf die Füße, dann eilten die drei vorwärts und versuchten, Kane aus dem Weg zu gehen. Wieder schubste er Louise, sie stolperte, fiel und riss die anderen mit sich.
    Kane rammte ihr den Absatz gegen das Schienbein. »Rüber zur Wand.«
    Lou hielt sich das Bein, schlurfte zurück, die beiden anderen zogen sie am Arm und am Blusenkragen. Dann sah Jodie sie nicht mehr. Sie waren genau neben ihr, einen Meter entfernt, doch sie sah sie nicht. Ihr Kopf wurde mit der Waffe gegen die Wand gedrückt.
    Sie wollte sie sehen. Wollte sie noch einmal sehen, bevor sie starb. Der Streit spielte nun keine Rolle mehr. Sie waren ihre besten Freundinnen. Sie drehte die Augen, so weit es ging, nach rechts. Corrine weinte, Schminke lief ihre Wangen herunter, ihr Gesicht war

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