Die Beute
nur drei«, sagte Travis. »Welches fehlt?« Er sah Louise, Hannah, Corrine und dann Jodie an. »Welches fehlt?«
Großer Gott, ihres fehlte. Es war in ihrer Handtasche. Sie wollte den Mund öffnen, um es zu gestehen. Doch eine Waffe wurde ihr ans Gesicht gepresst. Würde er einfach den Abzug drücken, wenn sie sagte: »Meines«? Wären das ihre letzten Worte?
19
Ein Handy polterte auf den Boden. »Wem gehört das?«, fragte Kane.
»Mir«, sagte Corrine zaghaft. Um genau zu sein, war das kein Handy. Es war ein kleiner, silberner BlackBerry mit Internetzugang, einer Fünf-Megapixel-Kamera und unzähligen anderen Funktionen.
»Hübsches Telefon«, sagte er und trat mit seinem Absatz darauf.
Jodie zuckte zusammen, als sie hörte, wie beiläufig er es zertrat. Es wirkte wie ein Vorgeschmack darauf, was sie vorhatten.
»Wem gehört das?« Er ließ ein Klapphandy auf den Boden fallen.
»Mir«, sagte Hannah.
Er ließ seinen Schuh darauf niederdonnern und zerquetschte die Trümmer mit dem Fußballen. »Und wem gehört dieses Scheißding?« Er warf ein ramponiertes Nokia zu Boden.
Niemand sagte etwas. Jodie sah Louise an. Sie starrte Kane an, ihre Augen blitzten, ihr Mund war fest verschlossen.
Jodie holte tief Luft, kniff die Augen zusammen und dankte dem Himmel dafür, dass er ihr eine Freundin wie Lou geschickt hatte. »Das ist Louises.«
In dem Augenblick, als Kane es zerbrach, änderte Travis den Winkel der Waffe und stieß damit so fest gegen Jodies verletzte Wange, dass sie vor Schmerz aufschrie. Er beugte sich mit dem Gesicht vor und schrie sie an. »Glaubst du, wir hätten das nicht selbst herausgefunden, du dumme Schlampe? Wo ist dein Handy?«
»In … meiner Tasche. Meiner Handtasche.«
»Wo?«
Sie erinnerte sich nicht mehr, wo sie sie hingelegt hatte. Dann blickte sie zur Eingangstür. Dort war sie nicht.
»Wo?«
»Ich … Ich … Auf dem Tisch. Auf dem Küchentisch.«
»Hol sie«, sagte er zu Kane. Kane, der beim Tisch stand, griff nach der Tasche und leerte sie aus. Geldbeutel, Schlüssel, Lippenstift, Fotoapparat, Kleingeld, ein paar Tampons fielen auf den Boden. Kein Telefon.
Ein leiser, würgender Laut entfuhr ihr.
»Wo ist dein Handy?«, schrie Travis.
»Ich … Ich weiß es nicht.«
»Wo?«
»Ich habe es heute Morgen da rein …«
»Wo?«
»Es war noch da, als ich …«
»Wo?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Wenn es nicht in meiner Tasche ist, weiß ich auch nicht, wo es ist. Vielleicht ist es herausgefallen. Es muss rausgefallen sein. Vielleicht liegt es im Auto. Ich weiß es nicht.« Travis baute sich vor ihr auf, ließ eine Hand von der Waffe sinken und hob sie, als wolle er …
» ICH WEISS ES NICHT . Ich weiß es verdammt noch mal nicht.«
Kane lachte und hüpfte von einem Fuß auf den anderen. »Ich glaub, sie weiß es nicht, Bruder.«
Travis ließ seinen Arm sinken, der Druck auf ihrer Wange ließ ein wenig nach. »Sollte das Handy später auftauchen, schieß ich dir ein Loch in den Kopf. Kapiert?«
Tränen stiegen Jodie in die Augen. »Ja, klar, wird es nicht. Versprochen.«
»Kane, hast du was gefunden, womit du sie fesseln kannst?«, fragte Travis, ohne sie aus den Augen zu lassen.
»Nein.«
Er wandte sich um und sah Kane an. Dicke Adern traten ihm vor Wut seitlich aus dem Hals. »Dann such«, schrie er. »Und hol was zu trinken.«
Jodie beobachtete Travis, der Kane mit dem Blick folgte. Sie fuhr sich mit der Zunge im Mund herum und spürte ein Brennen in ihrer Backe und den metallenen Geschmack von Blut. Ihre Beine schmerzten, weil sie in der Hocke an der Wand saß. Ihre Rippen pochten. Ihre Handflächen brannten. Und sie war so verängstigt, dass sie nicht richtig denken konnte. Auf der anderen Zimmerseite, außer Sichtweite, kippte Kane irgendwas Schweres um.
Louises Stimme schnitt durch das entsetzte Schweigen. »Lasst Hannah einen Blick auf ihre Hand werfen, sie ist Krankenschwester.«
Jodie sah zu ihr. Was zum Teufel machte sie da? Der Kerl stand kurz davor, ihr eine Kugel in den Kopf zu jagen. Was interessierte ihn eine Hand?
»Da steckt Glas drin. Ich sehe es von hier«, sagte Louise und ließ ihre Beine los.
»Noch eine Bewegung und ich drücke ab.«
»Lass sie nur das Glas entfernen.«
»Halt’s Maul.«
»Sie wird vor deinen Augen verbluten, wenn das Glas nicht entfernt wird.«
Jodie spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Eines der Mädchen war verletzt. Und Lou würde erschossen werden. Oder Jodie würde erschossen
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