Die Beute
werden.
»Ich habe ein Päckchen Taschentücher in der Tasche«, drängte Louise.
»Halt’s Maul, Louise«, zischte Corrine.
»Sie entfernt nur das Glas und gibt ihr die Taschentücher. Das dauert fünf Sekunden. Dann wird das Blut auf deiner Jeans wie Schlamm aussehen. Du weißt schon, wenn du gehst.«
Jodie richtete die Augen auf seine Jeans. Dort war ein dunkler Fleck vorne unter dem Knie, schräg darüber war ihre linke Hand. Sie war voller Blut.
Wie von einem Blitz getroffen zuckte sie zusammen. Sie sah wieder ihre Hände in jener Nacht. In den Scheinwerfern eines Autos. Nass und rot, Blut tropfte von ihren Fingern auf ihre nackten Füße.
»Herrgott. Nein.« Sie presste beide Hände fest an den Bauch, zog ihn ein und drückte gegen die Muskeln unter ihrem Fleisch. Sie konnte nicht an sich herabsehen. Ihr Kopf wurde von der Waffe noch immer gegen die Wand gedrückt. Wie viel Blut war da? Wann hatte er sie verletzt? Sie spürte Schmerz. Einen stechenden, brennenden Schmerz. In ihrem Magen. Nein, in ihrer Hand.
»Fünf Sekunden«, sagte Lou laut und drängend.
Dann war Hannah neben ihr und versuchte, ihre Hand vom Bauch zu lösen.
Jodie zog an ihr. »Nein, ich muss weiter drücken.«
»Jodie, in deiner Hand steckt Glas.«
»Was?« Sie ließ zu, dass Hannah ihre Hand nahm und ihre Finger spreizte. Ein Stück Glas ragte aus ihrer Handfläche direkt unter dem Daumen hervor. Die Scherbe sah wie einer von Corrines Kunststoffnägeln aus, als habe sie ihn ihr versehentlich durch den Handrücken in die Handfläche gerammt. Wo kam das bloß her? Sie sah sich um, auf dem Fußboden sah sie die Flasche Wein und einen nassen Fleck darum und die Scherben ihres Weinglases. Sie musste darauf gefallen sein.
Dann wurde ihr Kopf härter gegen die Wand gedrückt, und der Waffenlauf steckte seitlich in ihrem Mund.
»Fünf Sekunden sind vorbei.«
»Oh, mein Gott«, Hannah war blass, sie presste die Lippen zusammen und hatte Tränen in den Augen.
»Mach schon, Hannah!«, schrie Louise.
Hannah senkte den Kopf und versuchte die Scherbe mit Daumen und Zeigefinger zu erwischen. Sie zitterte so heftig, dass sie den Splitter nicht zu fassen bekam. Jodie hatte Hannah noch nie zittern gesehen. Nicht einmal, als ihre Tochter Chelsea durch Lous Glastür gerannt war und sich alles aufgeschnitten hatte. Doch jetzt zitterte sie.
»Herrgott!« Jodie zog ihre Hand zur Seite, als der Splitter sich mit einem stechenden Schmerz herausziehen ließ. Sie hielt sie sich vor die Augen, sah Hannah seitlich über den Waffenlauf an, sah das Blut wie einen Bach aus einem Loch in der Handfläche das Handgelenk herunterquellen.
Travis drückte unsanft gegen Hannahs Schulter und schob sie weg. »Die Zeit ist vorbei.«
»Arschloch!«, schrie Louise, als Hannah sich auf die Knie rappelte und Jodie eine Packung Taschentücher zusteckte.
»Geh da rüber«, schrie Travis. »Und du«, er sah Louise an, »hältst dein verdammtes Maul.«
»Ich weiß schon, wie ich ihr das Maul stopfen kann«, sagte Kane und griff sich in den Schritt. »Damit im Maul wird sie wohl kaum reden.«
Oh, mein Gott. Es ging los. Sie saßen mit dem Rücken zur Wand und hatten keine Fluchtmöglichkeit. Sie würden erst vergewaltigt und dann ermordet werden. Jodies Lungen fühlten sich an, als sei ihr der Brustkorb zerschmettert worden. Sie kniff die Augen zusammen und hörte irgendwo in ihrem Kopf einen brutalen, kehligen Laut.
»Fessle sie«, sagte Travis.
Sie öffnete die Augen, und ihre Angst nahm ein neues, ungeahntes Ausmaß an.
Kane stand mit einer Flasche Bourbon, die Lou von zu Hause mitgebracht hatte, vor den anderen. In der zweiten Hand hielt er ein paar Vorhangkordeln. Er nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche, hielt sie Travis hin, spannte dann die weißen, gewundenen Satinkordeln in der Hand und zog sie straff. Er schielte zu Louise und Hannah. »Ihr beiden, aufstehen.«
Jodie sah mit wachsender Angst zu, wie Louises linke Hand an Hannahs rechte Hand gebunden, die Satinkordel immer wieder herumgewickelt und dann verknotet wurde. »Du«, sagte er zu Corrine. Die Haut an Jodies Handgelenken brannte allein von der Erinnerung an einen anderen Strick, und sie fing unkontrolliert zu zittern an, als Corrines Hand an ihre gefesselt wurde. Entsetzt sah sie auf, als Kane sich an sie wandte.
»Nein. Nein!«, schrie sie, verbarg ihre Hände hinter dem Rücken und versuchte mit ihrem Kopf der Waffe auszuweichen, die gegen ihre Wange gepresst wurde. Kane stand vor
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