Die Beute
hatten ihre Worte Jodie mit derselben unbezwingbaren Energie erfüllt, die sie auch jetzt verspürte.
Lauf, Jodie. Das Spiel war noch nicht vorbei.
Jodie hockte auf dem Boden, als der dritte Schlag ertönte, dem ein Schrei folgte. Stimmen hallten vom anderen Ende der Scheune herüber. Sie hatte keine Ahnung, was das sein konnte, doch sie sprang auf und stolperte über die Beine ihrer Freundinnen, als der vierte Schlag herabdonnerte. Das Licht ging aus. Dann ging es wieder an. Matt versuchte sich aufzurappeln, drückte mit einer Hand gegen die Tür, mit der anderen sein kaputtes Knie.
»Corrine«, sagte Jodie. »Rutsch rüber, und halt die Tür.«
Corrine schob sich an der Wand entlang von der Tür weg. »Auf keinen Fall, ich komme der Tür und den schrecklichen Männern keinen Zentimeter näher, als ich unbedingt muss.« Sie wich zurück, da ließ ein weiterer Schlag den Boden erzittern.
Sie hatte Angst, war vermutlich noch immer ein wenig beschwipst, außer der Schrecken hatte sie auf einen Schlag ernüchtert, doch Jodie hätte ihr am liebsten eine geknallt. Wie im Film, wenn eine Figur in Panik gerät und mit einer Ohrfeige wieder zur Vernunft gebracht wird. Doch Corrine würde wahrscheinlich nur noch lauter heulen.
»Komm schon!«, zischte Jodie. »Wir brauchen Licht, Hannah muss sich um Lou kümmern.« Wenn man das kümmern nennen konnte. Hannahs Hände lagen auf Lous Schultern, doch das war eher eine willkürliche Geste. Irgendwas stimmte mit ihr nicht. Mit weit aufgerissenen Augen saß sie da, zitterte und machte alles in Zeitlupe. Sie verhielt sich so, seit Travis ihr die Waffe an den Kopf gehalten hatte, und das machte Jodie panische Angst.
»Was machst du?«, sagte Corrine.
Jodie zog den Reißverschluss des Koffers auf, der in der Ecke des Schrankes stand, und klappte ihn auf. »Ich suche nach einer Waffe.«
»Hey, das ist mein Koffer. Ich habe keine Waffen dabei.«
»Dann tu wenigstens was Nützliches, und drück gegen die Tür.«
Corrine maulte etwas, krabbelte dann aber durch den kleinen Raum und drückte sich gegen die Tür. Matt war aufgestanden, stützte sich mit einem ausgestreckten Arm an der Wand ab und humpelte quer durch den Schrank. Er hatte eine dicke Schramme an der linken Wange, seine Unterlippe war seitlich geschwollen, hatte aber zu bluten aufgehört. Doch irgendwas mit seinen Augen stimmte nicht, er konnte nicht scharf sehen. Bestimmt hatte er eine Gehirnerschütterung, doch wenigstens war er bei Bewusstsein und konnte sich auf den Beinen halten. Und der plötzliche Knall hatte ihm offensichtlich dieselbe Energie verliehen wie Jodie.
Der Lärm auf der anderen Seite des Hauses ging weiter. Kurze, scharfe Schläge, die den Scheunenboden erschütterten und in ihren Köpfen widerhallten.
Jodie holte Corrines Sachen aus dem Koffer.
Pullis und Hosen, einen dicken Kulturbeutel mit Waschzeug, die Schuhe mit dem kaputten Absatz. Sie warf den kaputten Schuh zurück in den Koffer und stellte den anderen neben sich auf den Boden. Das war immerhin ein Stiletto.
Sie blickte auf und sah Matt, der an der Kleiderstange über ihr zog und versuchte, sie aus ihrer Metallverankerung zu reißen. Die Stange lief den ganzen Raum entlang und war an einem Regal befestigt, das sich darüber befand. Die Stange bestand aus zwei Hälften, was hieß, dass sie zwei Stahlstangen hatten – keine Waffe, die sie mal schnell unter der Bluse verstecken konnten, doch einen gewissen Schaden konnten sie damit anrichten, falls sie zum Zuge kamen.
»Was machen die da draußen?«, fragte sie ihn.
Er blickte sie ernst an, aber diesmal sah er sie auch. Offenbar hatte das Rütteln an der Stange seinen Kopf befreit. »Klingt ganz so, als verwüsteten sie die Scheune.«
Er hängte sich wieder mit seinem ganzen Gewicht an die Stange und spannte dabei vor Anstrengung seinen Kiefer an. Angst lief Jodie den Rücken hinunter. Am liebsten hätte sie ihn vorne am Hemd gepackt und ihn daran erinnert, dass auch er hier rauskommen musste.
Er hatte gesagt, er sei kein Cop mehr, doch da machte er sich was vor. Sie hatte es seinem Gesicht angesehen, als sie von einer möglichen Flucht gesprochen hatten. Und jetzt sah sie es wieder. Er wollte den Job erledigen. Er wollte sie alle retten. Doch Jodie wollte keinen Helden. Sie wollte ihn lebend. Sie wollte ihm das Steak braten. Sie wollte sich noch einmal mit ihm in den Park setzen und Kaffee trinken. Sie wollte glühen und vor Leidenschaft schwitzen, so hatte sie lange nicht mehr
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