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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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die Kälte noch die Rauheit des Bodens zu spüren.
    »Was für eine Dummheit, so laut zu pfeifen«, flüsterte sie mit verhaltenem Zorn. »Ich habe dir doch gesagt, du solltest nicht kommen. Was willst du von mir?«
    »Laß uns hinaufgehen«, entgegnete Maxime, von diesem Empfang überrascht. »Oben werde ich dir alles erklären. Du wirst dich hier erkälten.«
    Doch als er sich in Bewegung setzte, hielt sie ihn zurück, und da bemerkte er, daß sie erschreckend blaß war. Sie krümmte sich in stummem Entsetzen. Das letzte, was sie am Leibe trug, die Spitzen ihrer Wäsche, hing wie traurige Fetzen auf ihrer fröstelnden Haut.
    Er betrachtete sie mit wachsendem Staunen.
    »Was hast du denn? Bist du krank?«
    Unwillkürlich hob er die Augen und blickte durch die Scheiben des Treibhauses hindurch nach dem Fenster des Ankleidezimmers, wo er vorher Licht gesehen hatte.
    »Aber bei dir ist ja ein Mann!« sagte er plötzlich.
    »Nein, nein, das stimmt nicht«, stammelte sie flehend, fast von Sinnen.
    »Mach mir doch nichts vor, meine Liebe, ich sehe ja den Schatten.«
    Dann standen sie einander einen Augenblick schweigend gegenüber und wußten nicht, was sie sich sagen sollten. Renées Zähne klapperten vor Angst, und ihr war, als gösse man eimerweise eiskaltes Wasser auf ihre nackten Füße. Maxime war aufgebrachter, als er für möglich gehalten hätte, blieb jedoch noch unbeteiligt genug, um ruhig zu überlegen und sich zu sagen, daß die Gelegenheit günstig sei und er jetzt mit ihr brechen könne.
    »Du wirst mir doch nicht einreden wollen, daß Céleste einen Paletot anhat«, fuhr er fort. »Wenn die Scheiben des Gewächshauses nicht so dick wären, würde ich den Herrn wahrscheinlich erkennen.«
    Sie drängte ihn noch tiefer in das Dunkel des Laubes, wobei sie mit gefalteten Händen und von steigendem Entsetzen gepackt sagte: »Ich bitte dich, Maxime!«
    Da aber erwachte in dem jungen Menschen die ganze Lust am Quälen, eine grausame Lust, sich zu rächen. Er war zu schwächlich, um sich im Zorn Luft zu machen. Der Ärger preßte ihm die Lippen zusammen, und statt Renée zu schlagen, was er zuerst gern getan hätte, sagte er scharf: »Das hättest du mir sagen sollen, dann hätte ich euch nicht gestört … Es kommt alle Tage vor, daß man einander nicht mehr liebt. Ich habe allmählich auch schon genug davon … Nur keine Aufregung. Ich lasse dich gleich wieder hinauf, aber nicht, bevor du mir den Namen des Herrn gesagt hast.«
    »Nie, nie!« flüsterte die junge Frau, die ihre Tränen zurückzuhalten suchte.
    »Ich will ihn ja nicht fordern, ich will nur wissen … Den Namen, sag schnell den Namen, dann gehe ich!«
    Er hatte sie bei den Handgelenken gefaßt und sah sie mit seinem häßlichen Lachen an. Und sie wehrte sich verzweifelt und wollte die Lippen nicht mehr öffnen, damit ihr der Name, den er wissen wollte, nicht entschlüpfe.
    »Wir werden noch Lärm machen, und damit würdest du weit kommen. Weshalb hast du denn Angst? Sind wir nicht gute Freunde? Ich will wissen, wer mein Nachfolger ist, das ist nur recht und billig … Warte, ich werde dir helfen. Sicher ist es Herr de Mussy, dessen Schmerz dich gerührt hat.«
    Sie gab keine Antwort, senkte nur den Kopf bei diesem Verhör.
    »Es ist also nicht Herr de Mussy? – Dann wohl der Herzog de Rozan? – Wirklich auch nicht? – Vielleicht der Graf de Chibray? – Auch der nicht?«
    Er hielt inne; er dachte nach. »Zum Teufel, dann weiß ich niemanden … Mein Vater kann es doch nicht sein, nach allem, was du mir gesagt hast.«
    Renée fuhr zusammen, als hätte sie sich verbrannt. Dann sagte sie tonlos: »Nein, du weißt ja, daß er nicht mehr kommt. Das hätte ich nicht zugelassen, es wäre eine Schande.«
    »Wer also?«
    Und er preßte ihre Handgelenke fester. Die arme Frau kämpfte noch einen Augenblick.
    »O Maxime! Wenn du wüßtest! – Ich kann es dir dennoch nicht sagen …«
    Dann stammelte sie, erschöpft, vernichtet, mit einem entsetzten Blick nach dem erleuchteten Fenster ganz leise: »Es ist Herr de Saffré!«
    Maxime, den sein grausames Spiel ergötzte, wurde leichenblaß bei diesem Geständnis, das er mit solcher Beharrlichkeit herausgefordert hatte. Er war wütend über den unerwarteten Schmerz, den ihm der Name dieses Mannes verursachte. Heftig stieß er Renées Hände zurück, trat ganz nahe an sie heran und schleuderte ihr mit zusammengepreßten Zähnen ins Gesicht: »So, damit du es weißt, du bist eine …!«
    Er sprach das Wort aus.

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