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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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erstaunlichste Gemisch von Marquisen, Schloßherrinnen, Milchmädchen, Spanierinnen, Schäferinnen und Haremsdamen. Die kompakte Masse der schwarzen Gesellschaftsanzüge hingegen wirkte wie ein dunkler Fleck neben dem schimmernden Glanz der hellen Stoffe und der nackten Schultern im Feuer des lebhaft funkelnden Geschmeides. Nur die Damen waren verkleidet. Schon wurde es heiß im Saal. Die drei Kronleuchter ließen das Goldgeriesel des Salons erstrahlen.
    Endlich erschien Herr Hupel de la Noue in einer zur Linken der Estrade freigelassenen Öffnung. Seit acht Uhr abends war er den Damen behilflich gewesen. Auf seinem linken Rockärmel zeichneten sich drei weiße Fingerspuren ab, eine kleine Frauenhand, die wohl dorthin gegriffen, nachdem sie sich vorher in eine Puderschachtel verirrt hatte. Aber dem Präfekt blieb wenig Zeit, sich um die Mängel seines Anzuges zu kümmern. Er hatte die Augen weit aufgerissen, sein Gesicht war gedunsen und ein wenig blaß. Er schien niemanden zu sehen. Plötzlich jedoch ging er auf Saccard zu, den er inmitten einer Gruppe ernster Männer entdeckt hatte, und sagte halblaut: »Stellen Sie sich das vor! Ihre Gattin hat ihren Laubgürtel verloren … Jetzt stehen wir schön da!«
    Er fluchte, hätte am liebsten um sich geschlagen. Dann kehrte er, ohne eine Antwort abzuwarten, ohne sich umzusehen, allen den Rücken, schlüpfte unter den Vorhang und war verschwunden. Die Damen lächelten über den wunderlichen Aufzug dieses Herrn.
    Die Gruppe, in der Saccard stand, hatte sich hinter den letzten Sesseln zusammengefunden. Man hatte sogar einen Sessel aus der Reihe herausgezogen für den Baron Gouraud, dem seit einiger Zeit die Beine anschwollen. Zugegen waren: Herr ToutinLaroche, vom Kaiser kürzlich in den Senat berufen, Herr de Mareuil, dessen zweite Wahl von der Kammer gnädig bestätigt worden war, Herr Michelin, der Tags zuvor das Kreuz der Ehrenlegion erhalten hatte, und etwas weiter zurück Mignon und Charrier, von denen der eine einen dicken Diamanten in der Krawatte, der andere einen noch größeren am Finger trug. Die Herren plauderten. Saccard verließ sie für einen Augenblick, um im Flüsterton ein paar Worte mit seiner Schwester zu wechseln, die soeben angekommen war und sich zwischen Louise de Mareuil und Frau Michelin gesetzt hatte. Frau Sidonie erschien als Zauberin; Louise trug ein keckes Pagenkostüm, das sie ganz zum Jungen machte; die kleine Michelin, als orientalische Tänzerin, lächelte verliebt unter ihren golddurchwirkten Schleiern.
    »Hast du etwas in Erfahrung gebracht?« fragte Saccard seine Schwester leise.
    »Bis jetzt noch nicht«, antwortete sie. »Aber der Galan dürfte hier sein … Ich werde die beiden heute abend schon fassen, sei unbesorgt!«
    »Du verständigst mich sofort, nicht wahr?«
    Und Saccard wandte sich nach rechts und nach links, begrüßte Louise und Frau Michelin. Er verglich die eine mit einer Huri Mohammeds135 und die andere mit einem Edelknaben Heinrichs III.136 Mit seinem provenzalischen Akzent wirkte er, als sänge seine ganze kleine kreischende Person vor Hingerissenheit. Als er zu der Gruppe der ernsten Männer zurückgekehrt war, zog ihn Herr de Mareuil beiseite, um mit ihm über die Verheiratung ihrer Kinder zu reden. Nichts hatte sich geändert, nach wie vor sollte der Kontrakt am kommenden Sonntag unterzeichnet werden.
    »Also abgemacht!« sagte Saccard. »Ich beabsichtige sogar, falls Sie nichts dagegen haben, die Vermählung unseren Freunden heute abend anzukündigen … Ich will damit nur auf meinen Bruder, den Minister, warten, der versprochen hat, zu kommen.«
    Der frischgebackene Abgeordnete war entzückt. Jetzt erhob Herr ToutinLaroche, wie von heftiger Entrüstung geschüttelt, seine Stimme. »Ja, meine Herren«, sagte er zu Herrn Michelin und den beiden Unternehmern, die näher getreten waren, »ich bin so einfältig gewesen, meinen Namen für eine derartige Sache herzugeben.«
    Und als Saccard und Mareuil hinzukamen, fuhr er fort: »Ich erzählte gerade den Herren von den beklagenswerten Ereignissen bei der Allgemeinen Marokkanischen Hafengesellschaft. Sie wissen doch, Saccard?«
    Saccard verzog keine Miene. Die Gesellschaft war soeben mit einem furchtbaren Skandal zusammengebrochen. Einige allzu neugierige Aktionäre hatten wissen wollen, wie weit eigentlich die berühmten Handelsstationen an der Mittelmeerküste gediehen seien, und eine gerichtliche Untersuchung hatte ergeben, daß die marokkanischen Häfen nur auf den

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