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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Augenblick zurück, um von seinem Vater zu sprechen. Sie lobte ihn sehr.
    »Sieh, ich hatte zu große Gewissensbisse. Es ist besser so, wie es jetzt gekommen ist … Du kennst deinen Vater nicht; ich war überrascht, ihn so gut, so selbstlos zu finden. Der arme Mann hat zur Zeit so schwere Sorgen.«
    Maxime sah, ohne zu antworten, verlegen auf seine Schuhspitzen. Sie fuhr beharrlich fort: »Solange er nicht in dieses Zimmer kam, machte ich mir nichts daraus. Aber später … Wenn ich ihn hier sah, so liebevoll, wenn er mir Geld brachte, das er wohl erst in allen Ecken von Paris zusammenkratzen mußte, sich klaglos für mich zugrunde richtete, machte mich das ganz krank … Wenn du wüßtest, wie gewissenhaft er meine Interessen wahrgenommen hat!«
    Der junge Mann kam langsam zum Kamin zurück und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Er war immer noch verlegen, hielt den Kopf gesenkt, ein Lächeln begann seine Lippen zu umspielen.
    »Ja«, murmelte er, »mein Vater eignet sich ausgezeichnet dazu, anderer Leute Interessen wahrzunehmen.«
    Sein Tonfall überraschte Renée. Sie sah ihn an, und er, wie um sich zu verteidigen, sagte: »Oh, ich weiß von nichts … Ich meine nur, daß mein Vater ein geschickter Mann ist.«
    »Du tätest ihm sehr unrecht, wenn du schlecht von ihm reden wolltest. Du beurteilst ihn sicher etwas oberflächlich … Wenn ich dir von all seinen Schwierigkeiten berichten wollte, wenn ich dir wiederholte, was er mir erst heute abend noch anvertraut hat, würdest du sehen, wie man sich täuschen kann, wenn man meint, ihm sei am Geld gelegen …«
    Maxime konnte sich eines Achselzuckens nicht enthalten. Er unterbrach seine Stiefmutter mit einem ironischen Lachen.
    »Ach geh doch! Ich kenne ihn, kenne ihn sehr gut … Er muß dir was Schönes vorgeredet haben. Erzähl mir das doch!«
    Dieser spöttische Ton verletzte sie. Deshalb überbot sie sich noch in Lobpreisungen, fand ihren Mann von Grund aus vornehm, sprach von der Charonner Angelegenheit, von diesem Schwindel, von dem sie nichts begriffen hatte, wie von einer Katastrophe, in der sich ihr die ganze Klugheit und Güte Saccards offenbart habe. Sie fügte hinzu, daß sie am kommenden Tag die Abtretungsurkunde unterschreiben werde; und wenn das auch tatsächlich ein großes Mißgeschick sei, so nehme sie dieses Mißgeschick hin als Strafe für ihre Sünden. Maxime ließ sie reden, grinste, sah sie verstohlen an; dann sagte er halblaut: »Das stimmt, stimmt haargenau.«
    Und Renée die Hand auf die Schulter legend, fuhr er lauter fort: »Ich danke dir, meine Liebe, aber ich kannte die Geschichte bereits … In diesem Fall bist du die ehrliche Haut!«
    Er tat wieder so, als wolle er gehen. Es gelüstete ihn unwiderstehlich, ihr alles zu erzählen. Sie hatte ihn mit den Lobpreisungen auf ihren Mann außer sich gebracht, und er vergaß, daß er sich Schweigen gelobt hatte, um jeder Unannehmlichkeit aus dem Wege zu gehen.
    »Wie? Was willst du damit sagen?« fragte sie.
    »Nun, bei Gott, nichts anderes, als daß mein Vater dich auf die reizendste Art der Welt hereinlegt … Du tust mir wirklich leid, du bist allzu einfältig!«
    Und er erzählte ihr, was er bei Laure gehört hatte, erzählte es feige, tückisch, und genoß dabei die geheime Freude, in diesen Gemeinheiten zu wühlen. Es kam ihm vor, als räche er sich damit für irgendeine ungreifbare Beleidigung, die man ihm angetan hatte. Seine Dirnennatur verweilte mit Wonne bei diesem Verrat, diesem grausamen Gespräch, das er hinter einer Portiere aufgeschnappt hatte. Nichts ersparte er Renée, weder das Geld, das ihr Gatte ihr gegen Wucherzinsen geborgt hatte, noch das, worum er sie mit Hilfe lächerlicher Märchen, die gut waren, um kleine Kinder einzuschläfern, zu betrügen gedachte. Leichenblaß, die Lippen fest aufeinandergepreßt, hörte ihm die junge Frau zu. Sie stand vor dem Kamin, den Kopf leicht gesenkt, und sah in die Glut. Ihr Nachtgewand, das Hemd, das Maxime für sie gewärmt, hatte sich verschoben und gab den Blicken das regungslose Weiß einer Statue preis.
    »Ich habe dir das alles gesagt«, schloß der junge Mann, »damit du nicht ahnungslos dastehst … aber du tätest unrecht, meinem Vater deshalb zu zürnen. Schlecht ist er im Grunde nicht. Er hat, wie alle Welt, seine Fehler … Also auf morgen, nicht wahr?«
    Langsam ging er auf die Tür zu. Renée aber hielt ihn mit einer jähen Bewegung zurück.
    »Bleib!« rief sie gebieterisch.
    Und sie griff nach ihm, zog ihn an sich,

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