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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Plänen der Ingenieure existierten, wunderschönen Plänen, die an den Wänden der Büros dieser Gesellschaft hingen. Seitdem schrie Herr ToutinLaroche noch lauter als die Aktionäre und verlangte empört, daß man ihm seinen Namen makellos zurückgäbe. Und er schlug solchen Lärm, daß sich die Regierung, um diesen nützlichen Mann zu beruhigen und ihn in den Augen der Öffentlichkeit zu rehabilitieren, zu seiner Berufung in den Senat entschloß. So geschah es, daß er aus einer Affäre, die ihn eigentlich hätte ins Zuchthaus bringen müssen, die langersehnte Senatorenwürde herausfischte.
    »Es ist wirklich zu gütig von Ihnen, sich um diese Sache zu kümmern«, sagte Saccard. »Sie können aber dafür Ihr großes Werk, den Crédit viticole, vorweisen, der aus allen Krisen siegreich hervorgegangen ist.«
    »Ja«, murmelte Mareuil, »das wiegt alles auf.«
    In der Tat hatte der Crédit viticole gerade große, streng geheimgehaltene Schwierigkeiten überstanden. Ein Minister mit einer besonderen Vorliebe für dieses Finanzinstitut, das die Stadt Paris an der Gurgel hielt, hatte ein HausseManöver ersonnen, das sich Herr ToutinLaroche bewundernswert zunutze machte. Nichts schmeichelte ihm mehr als Lobreden über das Gedeihen des Crédit viticole. Er pflegte sie geradezu herauszufordern. Mit einem Blick dankte er jetzt Herrn de Mareuil, und sich zum Baron Gouraud hinabbeugend, auf dessen Sessel er sich ungezwungen stützte, fragte er: »Sitzen Sie gut? Ist Ihnen nicht zu heiß?«
    Der Baron antwortete mit einem leisen Knurren.
    »Es geht von Tag zu Tag weiter abwärts mit ihm«, fügte Herr ToutinLaroche, zu den übrigen gewandt, halblaut hinzu. Herr Michelin lächelte und senkte von Zeit zu Zeit sanft die Lider, um nach seinem roten Band zu sehen. Die Herren Mignon und Charrier, die breitspurig auf ihren großen Füßen dastanden, schienen sich in ihren Fräcken schon sehr viel wohler zu fühlen, seit sie Brillanten trugen.
    Unterdessen war es fast Mitternacht geworden, und die Gesellschaft begann ungeduldig zu werden; man erlaubte sich zwar nicht, zu murren, aber die Fächer bewegten sich hastiger, und die Unterhaltung wurde lauter. Schließlich tauchte Herr Hupel de la Noue wieder auf; er hatte kaum eine Schulter durch die schmale Öffnung geschoben, als er Frau d’Espanet gewahrte, die endlich auf die Estrade stieg; die Damen, die schon für das erste Bild bereit waren, warteten nur noch auf sie. Der Präfekt kehrte den Zuschauern den Rücken, und man sah, wie er mit der Marquise sprach, die von den Vorhängen verdeckt wurde. Er warf ihr eine Kußhand zu und sagte halblaut: »Mein Kompliment, Marquise, Ihr Kostüm ist reizend!«
    »Darunter habe ich noch ein sehr viel hübscheres!« gab die junge Frau keck zurück und lachte ihm ins Gesicht, weil sie ihn zu komisch fand, wie er da im Vorhang steckte.
    Die Kühnheit dieses Scherzes ließ den galanten Herrn Hupel de la Noue einen Augenblick erstarren, doch faßte er sich, fand, je tiefer er über den Ausspruch nachdachte, immer größeres Gefallen daran und flüsterte schließlich entzückt: »Ach, allerliebst, allerliebst!«
    Er ließ den Vorhangzipfel fallen und schloß sich der Gruppe der ernsten Männer an, um sein Werk zu genießen. Jetzt war er nicht mehr der verstörte Mensch, der dem Laubgürtel der Nymphe Echo nachlief. Er strahlte, pustete, wischte sich die Stirn. Immer noch war die kleine weiße Puderhand auf seinem Rockärmel zu sehen; außerdem war der Daumen seines rechten Handschuhs an der Spitze rot gefärbt, offenbar hatte er diesen Finger in den Schminktopf einer der Damen getaucht. Er lächelte, fächelte sich Luft zu und stotterte: »Sie ist gottvoll, entzückend, überwältigend!«
    »Wer denn?« fragte Saccard.
    »Die Marquise! Stellen Sie sich bloß vor, sie hat soeben zu mir gesagt …«
    Und er erzählte den Ausspruch. Man fand ihn äußerst gelungen. Die Herren wiederholten ihn, gaben ihn weiter. Nicht einmal der würdige Herr Haffner, der gerade dazugekommen war, konnte sich des Beifalls enthalten. Unterdessen begann jemand auf einem Klavier, das nur wenige der Gäste bemerkt hatten, einen Walzer zu spielen. Da trat allgemeines Schweigen ein. Der Walser hatte launige Schnörkel in unabsehbarer Folge; und immer wieder stieg ein unsäglich süßes Thema in den Diskant und endete in einem Nachtigallentriller; dann übernahmen gedämpfte Stimmen in langsamerem Tempo das gleiche Motiv. Es klang sehr wollüstig. Die Damen neigten die Köpfchen

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