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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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wurde nur unterbrochen durch einen Hauch ferner Musik, der den schmalen Treppengang herauf tönte; in schlangenhaften Windungen glitt der Walzer heran, ringelte sich zusammen und schlief ein auf dem schneeweißen Teppich, zwischen dem zerrissenen Trikot und den zu Boden gefallenen Kleidern.
    Jetzt trat der Gatte näher. Ein Drang nach Grausamkeit machte sein Gesicht fleckig. Er ballte die Fäuste, um die Schuldigen niederzuschlagen. Jäh wie ein Schuß brach der Zorn aus diesem kleinen beweglichen Mann. Ein grinsendes Lachen würgte ihn. Er kam immer näher: »Du hast ihr wohl gerade Mitteilung von deiner Vermählung gemacht?«
    Maxime wich zurück, lehnte sich an die Wand.
    »Höre mich an«, stammelte er, »sie hat …«
    Er wollte sie feige anklagen, das Verbrechen auf sie abwälzen, sagen, daß sie mit ihm fliehen wollte, sich verteidigen mit der ganzen Unterwürfigkeit und zitternden Angst eines Kindes, das bei einem Vergehen ertappt wird. Doch er hatte nicht die Kraft dazu, die Worte verdorrten ihm in der Kehle. Renée verharrte in ihrer statuenhaften Starrheit, ihrem stummen Trotz. Da blickte Saccard, der wohl nach einer Waffe suchte, schnell um sich. Und dabei entdeckte er auf der Ecke des Toilettentisches, mitten unter Kämmen und Nagelbürsten die Abtretungsurkunde, deren gelbes Stempelpapier sich vom Marmor abhob. Er sah auf die Urkunde, sah die Schuldigen an. Dann beugte er sich vor und bemerkte, daß das Dokument unterschrieben war. Sein Blick glitt vom offenen Tintenfaß zu der noch feuchten Feder, die neben dem Leuchter lag. Er blieb vor dieser Unterschrift stehen und dachte nach.
    Die Stille schien sich noch zu verdichten, die Kerzenflammen wurden länger, noch weicher wiegte sich der Walzer an der Wandbespannung hin. Saccard zuckte kaum merklich mit den Achseln. Noch einmal sah er Frau und Sohn durchdringend an, als wolle er von ihren Gesichtern eine Erklärung ablesen, die er selber nicht fand. Dann faltete er langsam die Urkunde zusammen und steckte sie in die Tasche seines Fracks. Seine Backen waren kreideweiß geworden.
    »Sie haben gut daran getan, zu unterschreiben, meine liebe Freundin«, sagte er sanft zu seiner Frau. »Sie haben hunderttausend Francs damit gewonnen. Ich werde Ihnen das Geld noch heute abend bringen.«
    Er lächelte beinahe, nur seine Hände zitterten noch. Dann machte er ein paar Schritte und fügte dabei hinzu: »Man erstickt ja hier! Welche Idee, eine eurer Possen in diesem Dampfbad auszuhecken!«
    Und zu Maxime gewandt, der vor Überraschung über den besänftigten Ton seines Vaters den Kopf wieder gehoben hatte: »Los, komm mit! Ich hatte dich hier heraufgehen sehen und wollte dich holen, damit du dich von Herrn de Mareuil und seiner Tochter verabschiedest.«
    Die beiden Männer gingen plaudernd die Treppe hinunter. Renée blieb allein; sie stand mitten in ihrem Ankleidezimmer und starrte in das gähnende Loch des kleinen Treppenhauses, in dem sie soeben die Schultern von Vater und Sohn hatte verschwinden sehen. Sie konnte die Augen nicht von diesem Loch abwenden. Was war denn das? Sie waren ruhig, wie Freunde fortgegangen. Die beiden Männer hatten einander nicht zermalmt. Sie lauschte angestrengt, sie horchte, ob nicht irgendein fürchterlicher Kampf die Körper die Stufen hinunterrollen ließ. Nichts! In der warmen Dunkelheit nichts als Tanzmusik, ein langsames Wiegen. Von weitem glaubte sie das Lachen der Marquise zu hören, die helle Stimme Herrn de Saffrés. So war also das Drama zu Ende? Ihr Verbrechen, die Küsse in dem großen grau und rosafarbenen Bett, die wilden Nächte im Treibhaus, diese ganze verfluchte Liebe, die sie seit Monaten verzehrte, sollte so schal und gemein ausgehen? Ihr Mann wußte alles und erhob nicht einmal die Hand gegen sie? Und die Stille rings um sie, diese Stille, durch die sich der endlose Walzer schleppte, entsetzte sie mehr als der Lärm eines Mordes. Sie empfand ein Grauen vor diesem Frieden, Grauen vor diesem zärtlichen, verschwiegenen Raum, der vom Duft der Liebe erfüllt war.
    Da erblickte sie sich in dem hohen Spiegel der Schranktür. Sie trat näher, verwundert darüber, sich zu sehen, sie vergaß ihren Gatten, vergaß Maxime, war nur mit der seltsamen Frau beschäftigt, die da vor ihr stand. Ihre Sinne verwirrten sich. Ihr blondes, an den Schläfen und Nacken hochgebürstetes Haar erschien ihr als Nacktheit, als Obszönität. Die Falte auf ihrer Stirn grub sich so tief ein, daß sie einen dunklen Streifen oberhalb der Augen

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