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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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schlimmer für die, die das nicht begreifen.«
    Ihre Augen funkelten fast rot.
    Wieder trat sie ganz dicht an Maxime heran, ihr Atem brannte ihm auf den Wangen.
    »Was soll denn aus mir werden, wenn du die Bucklige heiratest?« sprach sie auf ihn ein. »Ihr würdet euch über mich lustig machen, und ich wäre vielleicht gezwungen, wieder mit diesem läppischen de Mussy vorliebzunehmen, der mir nicht einmal die Fußspitzen warm macht … Wenn man getan hat, was wir beide getan haben, dann bleibt man zusammen. Im übrigen ist es ja nun einmal so, daß ich mich langweile, wenn du nicht da bist; und da ich fortgehe, nehme ich dich mit … Du kannst Céleste sagen, was sie für dich aus deiner Wohnung holen soll.«
    Der Unglückliche streckte beide Hände aus, flehte: »Aber meine kleine Renée, mach doch keine Dummheiten! Besinne dich doch … Denk doch ein bißchen an den Skandal!«
    »Was kümmert mich der Skandal! Wenn du dich weigerst, gehe ich in den Saal hinunter und schreie es laut hinaus, daß ich mit dir geschlafen habe und daß du niederträchtig genug bist, jetzt die Bucklige zu heiraten.«
    Er senkte den Kopf, hörte zu und gab bereits nach, unterwarf sich dem Willen, der sich ihm so rücksichtslos aufzwang.
    »Wir gehen nach Le Havre«, fuhr sie, ihren Traum weiterspinnend, leiser fort, »und von da aus fahren wir nach England. Da wird uns niemand mehr etwas tun. Wenn wir dort noch nicht weit genug fort sind, reisen wir nach Amerika. Ich friere doch immer so, dort wird mir wohl sein. Ich habe schon so oft die Kreolinnen beneidet …«
    Aber je mehr sie ihren Plan ausmalte, desto heftiger wurde Maxime wieder von Angst ergriffen. Paris verlassen, so weit weg gehen mit einer Frau, die ohne Zweifel verrückt war, eine Geschichte hinter sich zurücklassen, deren Schande ihn für immer aus Paris verbannte! Es war ein fürchterlicher Alptraum, der ihn zu ersticken drohte. Verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit, aus diesem Ankleidezimmer zu entkommen, diesem rosenfarbenen Schlupfwinkel, wo man schon das Totengeläut von Charenton149 zu hören vermeinte. Endlich glaubte er, etwas gefunden zu haben.
    »Ich habe nur kein Geld«, sagte er sanft, um sie nicht zu reizen.
    »Wenn du mich einsperrst, kann ich mir keines beschaffen.«
    »Aber ich, ich habe welches«, erwiderte sie triumphierend. »Ich habe hunderttausend Francs. Es macht sich alles sehr gut …«
    Sie entnahm dem Spiegelschrank die Abtretungsurkunde, die ihr Mann ihr in der vagen Hoffnung, sie könnte andern Sinnes werden, dagelassen hatte. Sie legte sie auf den Toilettentisch, zwang Maxime, ihr Feder und Tinte aus dem Schlafzimmer zu holen, schob ihre Seifen zur Seite, unterschrieb die Urkunde und sagte dann: »Nun also, die Torheit wäre gemacht! Werde ich bestohlen, so geschieht es wenigstens mit meinem Willen … Auf dem Weg zum Bahnhof gehen wir bei Larsonneau heran … Jetzt, mein kleiner Maxime, sperre ich dich ein, und sobald ich all diese Leute vor die Tür gesetzt habe, machen wir uns durch den Garten davon. Wir brauchen nicht einmal Gepäck mitzunehmen.«
    Sie wurde wieder heiter. Dieser Streich entzückte sie. Es war ein Äußerstes an Überspanntheit, ein Abschluß, der ihr in dieser Krise heftiger Erregung höchst originell vorkam. Das überstieg noch bei weitem ihre Sehnsucht nach einer Ballonfahrt. Sie schloß Maxime in die Arme und flüsterte: »Ich habe dir vorhin weh getan, mein armer Liebster! Deshalb hast du dich geweigert … Du wirst sehen, wie hübsch es werden wird. Meinst du, deine Bucklige könnte dich so lieben, wie ich dich liebe? Sie ist ja gar keine Frau, diese Mulattin.«
    Sie lachte, zog ihn an sich, küßte ihn auf die Lippen, als ein Geräusch sie den Kopf wenden ließ. Saccard stand auf der Türschwelle.
    Ein furchtbares Schweigen trat ein. Langsam löste Renée ihre Arme von Maximes Hals; und sie senkte nicht die Stirn, sie sah ihren Mann mit den großen, starren Augen einer Toten an, indes der junge Mensch vernichtet, entsetzt, mit hängendem Kopf taumelte, da er nicht mehr von ihren Armen gehalten wurde. Saccard war von diesem unerhörten Schlag, der in ihm endlich den Gatten und den Vater weckte, so furchtbar erschüttert, daß er leichenblaß stehenblieb und die beiden nur von weitem mit seinem brennenden Blick versengte. In der feuchten, duftenden Luft des Zimmers brannten die drei Kerzen mit grader, hoher Flamme, mit der Unbeweglichkeit einer glühenden Träne. Und das Schweigen, dieses furchtbare Schweigen,

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