Die Beute - 2
Vaters und empörte sich, dieses bürgerliche Blut, das ihr in entscheidenden Stunden so viel zu schaffen machte. Sie, die bei dem Gedanken an die Hölle immer gezittert hatte, hätte ihr Leben eigentlich in der finsteren Strenge des Palais Béraud zubringen müssen. – Wer denn hatte sie nackt ausgezogen?
Und sie glaubte, in der bläulichen Verschattung des Spiegels die Gestalten Saccards und Maximes auftauchen zu sehen. Saccard, auf seinen dünnen Beinen, mit seinem schwärzlichen grinsenden Gesicht, hatte die Farbe des Eisens, ein Lachen, das wie Zangen packte. Dieser Mensch war der personifizierte Wille. Seit zehn Jahren sah sie ihn in der Schmiede, von glühenden Metallsplittern umsprüht, mit verbrannter Haut, keuchend, unaufhörlich zuschlagend und, auf die Gefahr hin, sich selbst zu zerschmettern, Hämmer schwingend, die zwanzigmal zu schwer waren für seine Arme. Jetzt begriff sie ihn; er erschien ihr größer geworden durch diese übermenschliche Anstrengung, diese ungeheure Schurkerei, die fixe Idee von einem unverzüglich zu erringenden unermeßlichen Reichtum. Sie entsann sich daran, wie er über Hindernisse hinwegsetzte, mitten in den Schlamm fiel, sich, um ja als erster ans Ziel zu gelangen, nicht einmal die Zeit nahm, sich zu säubern, und, ohne unterwegs innezuhalten und das Gewonnene zu genießen, sein Gold im vollen Lauf verzehrte. Dann erschien hinter der breiten Schulter des Vaters der blonde, hübsche Kopf Maximes; er hatte sein sicheres Dirnenlächeln, seine leeren Hurenaugen, die er niemals niederschlug, den Mittelscheitel, der die weiße Kopfhaut sehen ließ. Er machte sich über Saccard lustig, fand es spießig, sich solche Mühe zu geben, um das Geld zu verdienen, das er, der Sohn, mit so herrlicher Trägheit durchbrachte. Er wurde ausgehalten. Seine langen weichen Hände erzählten von seinen Lastern. Sein unbehaarter Körper hatte die lässige Haltung einer übersättigten Frau. In diesem feigen, weichlichen Wesen, in dessen Adern das Laster sanft wie laues Wasser floß, blitzte nicht einmal Neugier auf das Böse auf. Er nahm alles hin. Und als Renée die beiden Erscheinungen aus dem Spiegel hervortreten sah, wich sie einen Schritt zurück, denn sie erkannte jetzt, daß Saccard sie nur als Spieleinsatz, als Betriebskapital benutzt und daß sich Maxime nur eingefunden hatte, um das Goldstück aufzulesen, das dem Spekulanten aus der Tasche gefallen war. Sie war nur ein Wertpapier in der Brieftasche ihres Gatten; er trieb sie an, sich Festkleider für eine Nacht, Liebhaber für eine Saison zuzulegen; er wendete sie hin und her in den Flammen seiner Schmiede, bediente sich ihrer wie eines Edelmetalls, um das Eisen seiner Hände zu vergolden. Auf diese Weise hatte der Vater sie nach und nach toll genug, erbärmlich genug gemacht für die Küsse seines Sohnes. Wenn in Maximes Adern das verdünnte Blut eines Saccard rollte, so empfand sie sich als das Produkt, die wurmstichige Frucht dieser beiden Männer, als den Abgrund der Schmach, den jene zwischen sich aufgerissen hatten und in den sie nun beide hinabstürzten.
Jetzt wußte sie es: diese beiden hatten sie nackt ausgezogen. Saccard hatte ihr das Mieder aufgehakt, und Maxime hatte ihr den Rock gelöst. Dann hatten sie ihr gemeinsam das Hemd heruntergerissen. Und jetzt stand sie ohne einen Fetzen am Leibe da, mit goldenen Reifen, wie eine Sklavin. Vorhin hatten beide sie angeschaut, ohne ihr zu sagen: »Du bist ja nackt!« Der Sohn hatte wie eine Memme gezittert, war bei dem Gedanken, sein Verbrechen bis ans Ende durchführen zu sollen, von einem Schauder befallen worden, hatte sich geweigert, ihr in ihrer Leidenschaft zu folgen. Der Vater hatte sie bestohlen, anstatt sie zu töten; dieser Mensch strafte, indem er den Leuten die Taschen leerte; eine Unterschrift war wie ein Sonnenstrahl in die Roheit seines Zornes gefallen, und um sich zu rächen, hatte er diese Unterschrift mitgenommen. Und dann hatte sie die Schultern der beiden Männer gesehen, wie sie im Finstern verschwanden. Kein Blut auf dem Teppich, kein Schrei, keine Klage. Feiglinge waren das. Die hatten sie nackt ausgezogen.
Und sie sagte sich, daß sie ein einziges Mal in die Zukunft gesehen hatte, und zwar an jenem Abend, da angesichts der flüsternden Schatten des Parc Monceau der Gedanke, ihr Gatte werde sie eines Tages beschmutzen und in den Wahnsinn treiben, sie mitten in ihrer wachsenden Begierde erschreckt hatte. Oh, wie ihr armer Kopf litt! Wie sie in dieser Stunde
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