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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Schüsseln und allerlei Überbleibseln, die von der Gier der weißbehandschuhten Esser noch ganz warm waren. Sie hatten sich damit begnügt, die Brosamen rings um sich wegzuwedeln. Baptiste ging feierlich am Tisch auf und ab, ohne einen Blick an diesen Raum zu verschwenden, der aussah, als hätte ein Rudel Wölfe darin gehaust; er wartete darauf, daß die übrige Dienerschaft käme, um etwas Ordnung auf den Tischen zu schaffen.
    Maxime hatte noch ein recht erträgliches Souper zusammenbringen können. Louise schwärmte für Mandelgebäck mit Pistazien, wovon ein ganzer Teller voll oben auf dem Büfett zurückgeblieben war. Vor sich hatten sie drei angebrochene Champagnerflaschen stehen.
    »Papa ist vielleicht schon weggegangen«, sagte das junge Mädchen.
    »Um so besser!« antwortete Maxime. »Dann bringe ich Sie nach Hause.«
    Und als sie lachte, fuhr er fort: »Sie wissen doch, man will durchaus, daß ich Sie heirate. Es ist kein Spaß mehr, es ist vollster Ernst … Was werden wir denn anfangen, wenn wir verheiratet sind?«
    »Natürlich dasselbe wie alle andern.«
    Diese kecke Antwort war ihr etwas zu schnell entfahren; um sie gewissermaßen zurückzunehmen, sagte sie lebhaft: »Wir werden nach Italien gehen. Das wird meiner Lunge gut tun. Ich bin sehr krank … Ach, mein armer Maxime, Sie bekommen eine nette Frau. Ich habe nicht für zwei Sous Fett am Leibe.«
    Sie lächelte mit einem Anflug von Trauer, wie sie so in ihrem Pagenkostüm dasaß. Ein trockener Husten färbte ihre Wangen rot.
    »Das kommt von den Mandeln!« sagte sie. »Zu Hause darf ich keine essen … Reichen Sie mir doch den Teller, ich stecke den Rest in die Tasche.«
    Und sie leerte gerade den Teller, als Renée eintrat. Diese ging unmittelbar auf Maxime zu, wobei es sie eine unerhörte Anstrengung kostete, nicht zu fluchen, nicht diese kleine Bucklige zu schlagen, die da mit ihrem Liebhaber am Tische saß.
    »Ich will mit dir sprechen!« stammelte sie fast tonlos.
    Von Angst ergriffen zögerte er, denn er fürchtete ein Alleinsein mit ihr.
    »Mit dir allein, und zwar sofort!« wiederholte Renée. »So gehen Sie doch, Maxime«, sagte Louise mit ihrem undurchdringlichen Blick. »Und sehen Sie zu, ob Sie bei dieser Gelegenheit meinen Vater auftreiben können. Er kommt mir bei jeder Abendgesellschaft abhanden.«
    Er stand auf und versuchte, die junge Frau noch im Speisesaal aufzuhalten, sie zu fragen, was sie ihm denn so Dringliches zu sagen habe. Doch sie stieß zwischen den Zähnen hervor: »Komm mit, oder ich sage alles vor der ganzen Gesellschaft!«
    Er wurde sehr blaß und folgte ihr mit der Unterwürfigkeit eines geprügelten Hundes. Sie glaubte, Baptiste sähe sie an; doch was kümmerten sie in diesem Augenblick die hellen Augen des Dieners!
    An der Tür wurde sie zum drittenmal durch den Kotillon aufgehalten.
    »Warte«, murmelte sie. »Hören denn diese Idioten niemals auf?« Und sie ergriff seine Hand, damit er nicht versuchte, ihr zu entkommen.
    Eben stellte Herr de Saffré den Herzog de Rozan mit dem Rücken gegen die Wand in eine Ecke dicht neben der Tür zum Speisezimmer. Vor ihn placierte er eine Dame, dann wieder einen Herrn Rücken an Rücken mit der Dame, dann wieder eine Dame vor den Herrn, und so weiter Paar für Paar in langer Schlangenlinie. Als die Tänzerinnen noch schwatzten und sich versäumten, rief er: »Vorwärts, meine Damen, an Ihren Platz für die Kolonnen!«
    Sie kamen herbei, die »Kolonnen« wurden gebildet. Das Unschickliche, das darin lag, so zwischen zwei Männer gepreßt zu stehen, an den Rücken des einen gelehnt, vor sich die Brust des anderen, machte den Damen einen Riesenspaß. Die Spitzen ihrer Brüste berührten die Frackaufschläge, und die Beine der Kavaliere verschwanden zwischen den Röcken der Tänzerinnen, und wenn sich in einem jähen Heiterkeitsausbruch ein Kopf vornüber neigte, mußte sich der Schnurrbart des Gegenübers notgedrungen zur Seite wenden, damit es nicht gar zu einem Kuß kam. Plötzlich hatte wohl ein Spaßvogel der Reihe einen kleinen Stoß versetzt: sie rückte enger zusammen, die Fräcke drangen noch tiefer in die Frauenröcke ein, es gab kleine Schreie und Gelächter, ein Gelächter ohne Ende. Man hörte, wie die Baronin Meinhold sagte: »Aber mein Herr, ich ersticke ja, drücken Sie mich doch nicht so!«, was allen so komisch vorkam und in der ganzen Reihe einen Anfall so toller Ausgelassenheit hervorrief, daß die erschütterten »Kolonnen« ins Wanken gerieten, taumelten

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