Die Beute - 2
und sich aneinander festhalten mußten, um nicht zu fallen. Herr de Saffré wartete mit erhobenen Händen, zum Klatschen bereit. Jetzt klatschte er. Bei diesem Zeichen drehte sich alles um. Die Paare, die einander gegenüberstanden, faßten sich um die Taille, die Reihe löste sich auf und ließ die tanzenden Paare wie die Perlen eines Rosenkranzes in den Saal hinausgleiten. Nur der arme Herzog de Rozan blieb übrig, denn als er sich umwandte, hatte er die Wand vor der Nase. Alles lachte über ihn.
»Komm«, sagte Renée zu Maxime.
Das Orchester spielte immer noch den Walzer. Diese weichliche Musik, deren gleichförmiger Rhythmus auf die Dauer fade wurde, verstärkte noch die Verzweiflung der jungen Frau. Ohne Maximes Hand loszulassen, gelangte sie in den kleinen Salon. Dort drängte sie ihn zu der Treppe, die ins Ankleidezimmer führte.
»Geh hinauf!« befahl sie.
Sie folgte ihm. In diesem Augenblick betrat Frau Sidonie, die, verwundert über das ständige Umherirren ihrer Schwägerin durch die verschiedenen Räume, den ganzen Abend lang um Renée herumgestrichen war, die Stufen zum Treibhaus. Da sah sie die Beine eines Mannes im Dunkel des engen Treppenhauses verschwinden. Ein bleiches Lächeln erhellte ihr wächsernes Gesicht; ihren Zauberinnenrock raffend, um schneller voranzukommen, machte sie sich auf die Suche nach ihrem Bruder, störte im Vorbeihasten eine Kotillonfigur, fragte alle Diener, die ihr in den Weg kamen. Endlich fand sie Saccard mit Herrn de Mareuil in einem neben dem Speisesaal gelegenen Raum, den man provisorisch in ein Rauchzimmer umgewandelt hatte. Die beiden Väter sprachen von der Mitgift, vom Kontrakt. Doch als Frau Sidonie ihrem Bruder etwas ins Ohr geflüstert hatte, erhob dieser sich, entschuldigte sich und verschwand.
Oben im Ankleidezimmer herrschte die größte Unordnung. Auf den Sesseln lag das Gewand der Nymphe Echo, das zerrissene Trikot, lagen zerknitterte Spitzen herum, ganze Bündel Wäsche, alles, was eine Frau, auf die gewartet wird, in der Eile liegen läßt. Die kleinen Toiletteninstrumente aus Elfenbein und Silber waren überallhin verstreut, Bürsten und Nagelfeilen auf den Teppich gefallen, und die noch feuchten Handtücher, auf den Marmorplatten vergessene Seifenstücke, nicht wieder verschlossene Flakons verbreiteten in dem fleischfarbenen Zelt einen starken, durchdringenden Geruch.
Um den Puder von Armen und Schultern zu entfernen, war die junge Frau nach den lebenden Bildern in die Badewanne aus rosa Marmor gestiegen. Runde irisierende Flecken hatten sich auf dem erkalteten Wasser gebildet.
Maxime trat auf ein Korsett, wäre beinahe gefallen und versuchte zu lachen. Aber bei dem harten Gesichtsausdruck Renées überlief ihn ein eisiger Schauer. Sie trat so dicht an ihn heran, daß sie ihn zurückdrängte, und fragte leise: »Du willst also die Bucklige heiraten?«
»Aber ich denke gar nicht daran«, murmelte er. »Wer hat dir das gesagt?«
»Ach, lüge doch nicht; das hat keinen Zweck …«
Er begehrte auf. Sie wurde ihm unheimlich, er wollte Schluß machen mit ihr.
»Nun ja denn! Ich heirate sie. Was ist dabei? … Bin ich nicht mein eigener Herr?«
Den Kopf ein wenig gesenkt, fuhr sie auf ihn zu und packte ihn mit einem bösen Lachen bei den Handgelenken: »Dein eigener Herr! Du dein eigener Herr! Du weißt genau, daß du das nicht bist. Der Herr bin ich! Ich könnte dir die Knochen brechen, wenn ich schlecht wäre. Du hast nicht mehr Kraft als ein kleines Mädchen.«
Und als er sich zur Wehr setzte, verdrehte sie ihm mit der ganzen nervösen Kraft, die ihr der Zorn verlieh, die Arme. Er stieß einen schwachen Schrei aus. Da ließ sie ihn los und begann wieder: »Sieh, wir wollen nicht miteinander kämpfen; ich wäre ja doch die Stärkere.«
Er war noch ganz blaß, beschämt durch den Schmerz, den er an seinen Gelenken spürte. Er sah sie in ihrem Zimmer hin und her gehen. Sie stieß die Möbel beiseite, überlegte, suchte dem Plan feste Gestalt zu geben, der ihr im Kopf herumging, seit ihr Gatte sie von der Heirat in Kenntnis gesetzt hatte.
»Ich sperre dich hier ein«, sagte sie schließlich, »und sobald es Tag wird, reisen wir nach Le Havre.«
Vor Besorgnis und Bestürzung wurde er noch blasser.
»Aber das ist ja Wahnsinn!« schrie er. »Wir können doch nicht zusammen fortgehen … Du hast den Kopf verloren!«
»Das ist möglich. Aber wenn es so ist, dann bist du und dein Vater daran schuld … Ich brauche dich, und ich halte dich fest! Um so
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