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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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geträumt, und es sei »absolut nichts« losgewesen, wußte sie nicht mehr, was sie denken sollte. Dann aber witterte sie den wahren Sachverhalt. Ihr gelbes Gesicht wurde bleich, sie fand das wirklich ein starkes Stück. Und vorsichtig hatte sie ihr Ohr an die Tür zur Treppe gepreßt, in der Hoffnung, Renée oben weinen zu hören. Als die junge Frau die Tür öffnete, schlug ihrer Schwägerin der Türflügel fast ins Gesicht.
    »Sie spionieren mir nach!« rief Renée zornig.
    Aber Frau Sidonie entgegnete voller Verachtung: »Was kümmern mich Ihre schmutzigen Geschichten!«
    Und während sie ihr Zauberinnengewand zusammenraffte und sich mit einem hoheitsvollen Blick zurückzog, sagte sie: »Mein Kind, es ist nicht meine Schuld, wenn Ihnen Unannehmlichkeiten widerfahren … Doch ich trage Ihnen nichts nach, verstehen Sie mich recht! Und denken Sie daran, daß Sie in mir eine zweite Mutter gefunden hätten und noch immer finden können. Kommen Sie zu mir, wann es Ihnen paßt.«
    Renée hörte ihr nicht zu. Sie betrat den großen Saal, schritt quer durch eine höchst komplizierte Kotillonfigur hindurch, ohne die Überraschung, die ihr Pelzumhang hervorrief, auch nur zu bemerken. In der Mitte des Saals schwirrten Gruppen von Damen und Herren bunt durcheinander und schwenkten kleine Wimpel, und Herrn de Saffrés Flötenstimme sprach: »Auf, meine Damen, zum ›Krieg in Mexiko‹150… Die Damen, die das Gebüsch vorstellen, müssen sich auf den Boden setzen und ihre Röcke rings um sich ausbreiten … Jetzt umtanzen die Herren die Büsche … Wenn ich dann in die Hände klatsche, tanzt jeder Herr mit seinem Busch!«
    Er klatschte in die Hände. Die Blechinstrumente erklangen, und abermals ließ der Walzer die Paare sich durch den Saal drehen. Die Figur fand wenig Anklang. Zwei der Damen hatten sich so in ihre Röcke verwickelt, daß sie noch auf dem Teppich hockten. Frau Daste erklärte, das einzige, was sie an diesem »Krieg in Mexiko« vergnüge, sei, daß sie, wie einst im Pensionat, »eine Käseglocke« aus ihrem Rock machen könnte.
    Im Vestibül fand Renée Louise und ihren Vater, begleitet von Saccard und Maxime. Der Baron Gouraud war schon fort. Frau Sidonie ging mit Mignon und Charrier weg, während Herr Hupel de la Noue Frau Michelin nach Hause brachte, deren Gatte taktvoll in einiger Entfernung folgte. Der Präfekt hatte den Rest des Abends darauf verwandt, der hübschen Brünetten den Hof zu machen. Soeben hatte er sie dazu überredet, einen Monat der schönen Jahreszeit in der Hauptstadt seines Departements zu verbringen, »wo es wirklich sehr sehenswerte Altertümer« gebe.
    Louise, die heimlich von dem Mandelgebäck knabberte, das sie sich in die Tasche gesteckt hatte, bekam gerade beim Fortgehen einen Hustenanfall.
    »Hülle dich gut ein«, sagte der Vater.
    Und Maxime beeilte sich, das Kapuzenband ihres Abendmantels fester zuzubinden. Sie hob das Kinn und ließ sich einmummeln. Doch als jetzt Frau Saccard erschien, kam Herr de Mareuil noch einmal zurück, um sich zu verabschieden. Sie blieben alle noch einen Augenblick plaudernd beieinander stehen. Um ihre Blässe und ihr Zittern zu erklären, sagte Renée, sie habe gefroren und sei deshalb hinaufgegangen, sich den Pelzmantel zu holen. Und sie lauerte auf eine Gelegenheit, leise mit Louise reden zu können, die mit neugieriger Ruhe auf sie blickte. Während die Herren einander noch die Hand schüttelten, neigte sich Renée zu ihr und murmelte: »Sie werden ihn doch nicht heiraten wollen? Das ist ganz unmöglich. Sie wissen ja …«
    Das Mädchen aber fiel ihr ins Wort, reckte sich auf und flüsterte ihr ins Ohr: »Oh, seien Sie unbesorgt, ich nehme ihn mit … Das macht auch gar nichts, wir fahren ja nach Italien!«
    Und sie lächelte mit dem ihr eigenen undeutbaren Lächeln einer lasterhaften Sphinx. Renée verschlug es die Sprache. Sie verstand nicht, meinte, die Bucklige mache sich lustig über sie. Nachdem dann die Mareuils mit dem mehrmals wiederholten Ruf »Auf Sonntag also!« gegangen waren, blickte sie ihren Mann, blickte sie Maxime mit entsetzten Augen an, und da sie die beiden so ruhig und zufrieden sah, schlug sie die Hände vors Gesicht, lief fort und suchte Zuflucht im Gewächshaus.
    Die Wege waren verödet. Die Blättermassen schliefen, und auf der trägen Wasserfläche des Bassins öffneten zwei Lotosblumen langsam ihre Knospen. Renée hätte am liebsten geweint; aber die feuchte Wärme, der starke Duft, den sie wiedererkannte, packten sie

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