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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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an der Gurgel und erstickten ihre Verzweiflung. Am Rande des Bassins stehend, blickte sie auf den gelben Sandfleck zu ihren Füßen, wo sie im letzten Winter das Bärenfell auszubreiten pflegte. Und als sie aufschaute, sah sie noch weit hinten, durch die beiden offengelassenen Türen hindurch, eine Kotillonfigur.
    Dort herrschte ein betäubender Lärm, ein wüstes Durcheinander, in dem sie zunächst nur fliegende Röcke unterschied und schwarze Beine, die stampften und sich drehten. Die Stimme Herrn de Saffrés rief: »Die Damen wechseln! Die Damen wechseln!« Und die Paare glitten in einem feinen gelben Staub vorbei; nach drei oder vier Walzertouren warf jeder der Kavaliere seine Dame dem Nachbarn in die Arme und empfing dafür die des anderen. Die Baronin Meinhold in ihrem Kostüm als Smaragd flog aus der Hand des Grafen de Chibray in die des Herrn Simpson; er erwischte sie aufs Geratewohl an einer Schulter, wobei seine behandschuhten Fingerspitzen in ihre Korsage glitten. Die Gräfin Vanska sprang, hochrot im Gesicht, ihre Korallengehänge schüttelnd, mit einem Satz von der Brust des Herrn de Saffré an die des Herzogs de Rozan, den sie umschlang und fünf Takte lang gewaltsam im Kreise drehte, um sich dann an die Hüfte des Herrn Simpson zu hängen, der soeben den Smaragd dem Kotillonführer zugeworfen hatte. Und Frau Teissière, Frau Daste, Frau de Lauwerens leuchteten wie große lebende Edelsteine im blonden Weiß des Topas, im zarten Blau des Türkis, im brennenden Blau des Saphirs, schmiegten sich einen Augenblick in den ausgestreckten Arm eines Tänzers, flogen dann wieder davon, landeten rücklings oder vorwärts in einer neuen Umschlingung und ließen sich so der Reihe nach von allen Herren im Salon umarmen. Frau d’Espanet war es inzwischen gelungen, Frau Haffner im Vorbeitanzen vor dem Orchester zu erhaschen, und nun walzte sie mit ihr, ohne sie wieder freizugeben. Gold und Silber tanzten verliebt miteinander.
    Jetzt verstand Renée das Wirbeln der Röcke und das Stampfen der Beine. Da sie tiefer stand, sah sie das Ungestüm der Füße, das Durcheinander der Lackschuhe und der weißen Knöchel von unten. Zuweilen schien es ihr, als wolle ein Windstoß alle Gewänder entführen. Diese nackten Schultern und bloßen Arme, diese flatternden, unbedeckten Haare, die dort hinten in der langen Galerie, wo das Orchester immer wilder seinen Walzer spielte und die rote Wandbespannung neben dem letzten Fieber des Balls zu verblassen schien, durcheinanderwirbelten, aufgefangen, weggeschleudert und wieder gepackt wurden, kamen ihr vor wie ein tumultuarisches Abbild ihres eigenen Lebens, ihrer Nacktheit, ihrer Leidenschaften. Und bei dem Gedanken, daß Maxime, um die Bucklige in seine Arme zu schließen, sie, Renée, verstoßen hatte, hierher an diesen Ort, wo sie einander geliebt hatten, wurde sie von solchem Schmerz ergriffen, daß sie einen Tanghiniazweig, der ihr die Wange streifte, abreißen und ihn bis auf Holz zerkauen wollte. Aber sie war feige, sie blieb vor dem Strauch stehen, zitternd vor Kälte unter ihrem Pelz, den ihre Arme mit einer großen Gebärde der Scham und des Schreckens eng um sie zusammenzogen.
     

Kapitel VII
    Drei Monate später, an einem jener trüben Frühlingsvormittage, die den dunklen, schmutzigfeuchten Winter nach Paris zurückbringen, entstieg Aristide Saccard auf dem Place du Châteaud’Eau einem Wagen und betrat mit vier anderen Herren den durch das Niederreißen von Gebäuden entstandenen Durchbruch, den man für den zukünftigen Boulevard du PrinceEugène geschaffen hatte. Es war eine Untersuchungskommission, die von der EntschädigungsJury entsandt worden war, um an Ort und Stelle bestimmte Liegenschaften abzuschätzen, deren Eigentümer sich nicht auf gütlichem Wege mit der Stadt zu einigen vermocht hatten.
    Saccard wandte abermals seinen in der Rue de la Pépinière erprobten Trick an. Um den Namen seiner Frau völlig aus der Sache verschwinden zu lassen, erfand er zunächst einen Scheinverkauf der Grundstücke und des KonzertCafés. Larsonneau trat das Ganze an einen angeblichen Gläubiger ab. Die Verkaufsurkunde wies die ungeheure Summe von drei Millionen aus. Diese Summe war so übertrieben hoch, daß, als der Enteignungsagent im Namen des vermeintlichen Eigentümers diesen Kaufpreis als Entschädigung forderte, die Kommission des Hôtel de Ville trotz der geheimen Vorarbeit von Herrn Michelin und der Fürsprache der Herren ToutinLaroche und Gouraud keinesfalls mehr als

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