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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ihrer Kindheit, ihrer Familie, ihren persönlichen Neigungen. Nur etwas verkaufte sie niemals, das war ihre eigene Person; nicht weil sie Bedenken gehabt hätte, sondern weil ihr der Gedanke an einen derartigen Handel gar nicht kommen konnte. Sie war trocken wie eine Rechnung, kalt wie ein Wechselprotest, gleichgültig und im Grunde genommen roh wie ein Scherge.
    Saccard, soeben frisch aus der Provinz gekommen, vermochte anfangs nicht in die unergründlichen Tiefen der zahlreichen Geschäfte Frau Sidonies einzudringen. Da er ein Jahr Jura studiert hatte, erzählte sie ihm eines Tages mit großem Ernst von den drei Milliarden, wodurch er eine jämmerliche Vorstellung von ihren geistigen Fähigkeiten bekam. Sie erschien in der Rue SaintJacques, schnüffelte in allen Ecken der Wohnung herum, warf einen abschätzenden Blick auf Angèle und tauchte später nur wieder auf, wenn ihre Geschäfte sie in dieses Stadtviertel führten und sie das Bedürfnis verspürte, abermals die drei Milliarden zur Sprache zu bringen. Angèle war auf die Geschichte von der englischen Schuld eingegangen. Daraufhin hatte die Maklerin ihr Steckenpferd bestiegen und eine Stunde lang das Gold nur so herabregnen lassen. Hier war die schwache Stelle in dem sonst so hellen Kopf, der holde Wahn, in dem sich ihr an elende Geschäfte verlorenes Leben wiegte, die magische Lockspeise, mit der sie sich selbst und die Leichtgläubigsten unter ihren Kundinnen berauschte. Übrigens war sie so fest von der Sache überzeugt, daß sie schließlich von diesen drei Milliarden wie von ihrem persönlichen. Eigentum sprach, in das die Richter sie früher oder später unbedingt wieder einsetzen müßten, und das legte einen wunderbaren Heiligenschein um ihren armseligen schwarzen Hut, auf dem sich ein paar ausgeblichene Veilchen auf ihren nackten Messingstielen schaukelten. Angèle riß weit die Augen auf. Wiederholt sprach sie ihrem Gatten gegenüber voll Ehrfurcht von der Schwägerin und meinte, vielleicht würden auch sie eines Tages durch Frau Sidonie reich werden. Saccard zuckte mit den Achseln; er hatte sich Laden und Zwischenstock in der Rue du FaubourgPoissonnière angesehen und dort nur einen nahen Bankrott gewittert. Gern wollte er Eugènes Ansicht über die Schwester erfahren, aber der wurde zurückhaltend und begnügte sich mit der Antwort, daß er Sidonie zwar nie besuche, aber wisse, daß sie sehr gescheit sei, vielleicht ein wenig kompromittierend. Als jedoch Saccard nach einiger Zeit wieder in die Rue de Penthièvre kam, schien es ihm, als husche Frau Sidonies schwarzes Kleid aus seines Bruders Haustür und gleite schnell an den Häusern entlang. Er lief hinterdrein, konnte aber das schwarze Kleid nicht mehr entdecken. Die Händlerin war eine jener unauffälligen Gestalten, die in der Menge untergehen. Aristide wurde nachdenklich und beobachtete von nun an seine Schwester mit größter Aufmerksamkeit. Bald begriff er, welche Riesenarbeit dieses kleine, blasse, unscheinbare Wesen leistete, dessen ganzes Gesicht zu schielen und zu zerfließen schien. Er bekam Respekt vor ihr. Sie war eine echte Rougon. In ihr erkannte er jene Geldgier wieder, jene Sucht zu intrigieren, die seine Familie kennzeichneten. Nur daß, dank der Umwelt, in der Sidonie alt geworden war, diesem Paris, wo sie sich am Morgen das karge Abendbrot hatte verdienen müssen, sich bei ihr die allen Familiengliedern gemeinsamen Anlagen verborgen und jene seltsame Zwitterbildung einer zu einem Neutrum, einem Geschäftsmann und zugleich einer Kupplerin gewordenen Frau hervorgebracht hatten. Als sich Saccard, nachdem er seinen Plan entworfen hatte, auf die Suche nach dem Anfangskapital begab, dachte er natürlich an seine Schwester. Sie schüttelte den Kopf und sprach seufzend von den drei Milliarden. Doch der Beamte ließ ihr diese Verrücktheit nicht hingehen, sondern schalt heftig mit ihr, sobald sie auf die Stuartschuld zurückkam; dieser Traum dünkte ihn eines so praktischen Verstandes unwürdig. Frau Sidonie, die den schärfsten Spott gelassen ertrug, ohne in ihren Überzeugungen erschüttert zu werden, erklärte dem Bruder sodann mit aller Deutlichkeit, daß er keinen Sou auftreiben werde, da er keine Bürgschaft stellen könne. Diese Unterhaltung fand vor der Börse statt, wo Sidonie wohl mit ihren Ersparnissen spekulierte. Man konnte sicher sein, sie jeden Nachmittag gegen drei Uhr an das Gitter gelehnt zu finden, links, auf der Seite des Postamts; dort gab sie allerlei Personen

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