Die Beute - 2
Straßenzug in Angriff genommen wurde. Das war ein wildes Spiel; man spekulierte in künftigen Stadtvierteln wie in Staatspapieren. Gewisse Damen, hübsche Mädchen, vertraute Freundinnen hoher Staatsbeamter beteiligten sich daran; eine von ihnen, berühmt wegen ihrer weißen Zähne, hat mehrmals ganze Straßenzüge aufgeknabbert. Saccard wurde immer gieriger und fühlte, wie er angesichts des Geldstroms, der ihm durch die Finger lief, seine Wünsche immer größer wurden. Ihm war, als breite sich rings um ihn ein See von Zwanzigfrancsstücken, der See wurde zum Ozean, erfüllte den unendlichen Horizont mit seinem seltsamen Wogenschlag, einer metallischen Musik, die Saccard am Herzen kitzelte, und als täglich kühnerer Schwimmer wagte er sich hinaus, tauchte unter, kam wieder an die Oberfläche, schwamm bald auf dem Rücken, bald auf dem Bauch, durchquerte diese unermeßliche Weite bei Sturm und Sonnenschein, im Vertrauen darauf, daß er dank seiner Kräfte und seiner Geschicklichkeit niemals untergehen werde.
Paris versank jetzt in einer Wolke von Gipsstaub. Die Zeiten, die Saccard damals auf dem Montmartre vorausgesagt hatte, waren gekommen. Mit Säbelhieben zerteilte man die Stadt, und er war bei jedem Schnitt, bei jeder Verwundung dabei. Ihm gehörten Trümmerstätten an allen Enden der Stadt. Er war auch in die unglaubliche Geschichte jenes Schachts in der Rue de Rome verwickelt, den eine Gesellschaft ausheben ließ, um fünf oder sechstausend Kubikmeter Erde zu bewegen und so ein riesiges Unternehmen vorzutäuschen, und den man später, als die Gesellschaft verkracht war, wieder zuschütten und die Erde dazu aus SaintOuen86 zurückholen mußte. Dank der bereitwilligen Vermittlung seines Bruders Eugène zog sich Saccard mit gutem Gewissen und gefüllten Taschen aus der Sache heraus. In Chaillot87 half er den Hügel abtragen und in eine Niederung werfen, damit dort der Boulevard vom ArcdeTriomphe bis zur Pont de l’Alma entlanggeführt werden konnte. Saccard war es auch, der den Gedanken hatte, den Schutt des Trocadérohügels88 auf die Ebene von Passy schütten zu lassen, so daß der fruchtbare Boden dort heute zwei Meter unter der Oberfläche liegt und sich sogar das Gras weigert, auf diesem Müll zu wachsen. Man hätte den Mann auf zwanzig Stellen zugleich finden können, überall da, wo ein unübersteigliches Hindernis zu überwinden war, Trümmer, mit denen man nichts anzufangen wußte, Terrainarbeiten, die man nicht zu bewältigen vermochte, ein großer Erd oder Gipshaufen, der die mit fieberhafter Hast arbeitenden Ingenieure ungeduldig machte, in dem Saccard jedoch mit seinen Krallen wühlte und dabei zu guter Letzt immer irgendein Draufgeld oder ein Geschäft nach seinem Geschmack herausholte. Innerhalb eines Tages konnte er von den Arbeiten beim ArcdeTriomphe zu denen am Boulevard SaintMichel laufen, von den Ausschachtungen am Boulevard Malesherbes zu den Aufschüttungen bei Chaillot, und immer zog er eine ganze Armee von Arbeitern, Gerichtsbeamten, Aktionären, Spitzbuben und Geprellten hinter sich her.
Sein glänzendster Triumph aber war der Crédit viticole, den er zusammen mit ToutinLaroche ins Leben gerufen hatte. Dieser war offiziell der Direktor, Saccard figurierte lediglich als Aufsichtsratsmitglied. Auch hier war Eugène seinem. Bruder tatkräftig zu Hilfe gekommen. Dank seiner Vermittlung hatte die Regierung die Neugründung genehmigt und überwachte sie mit großem Wohlwollen. Als sich ein regierungsfeindliches Blatt anläßlich einer heiklen Angelegenheit erlaubte, eine Maßnahme dieser Gesellschaft zu kritisieren, ging der »Moniteur«89 so weit, in einem Artikel jegliche Diskussion über ein so ehrenwertes Unternehmen, das der Staat seiner Unterstützung würdige, zu untersagen. Der Crédit viticole gründete sich auf ein vorzügliches Finanzsystem: er lieh den Weinbauern die Hälfte des Schätzungswertes ihres Eigentums, sicherte das Darlehen durch eine Hypothek und zog von den Schuldnern die Zinsen nebst einer Rückzahlungsrate ein. Wo hätte es je eine vertrauenswürdigere oder weisere Einrichtung gegeben! Eugène hatte seinem Bruder mit vielsagendem Lächeln eröffnet, daß man in den Tuilerien Rechenschaft erwarte. Herr ToutinLaroche legte diesen Wunsch so aus, daß er den Darlehensapparat ruhig weiterlaufen ließ, daneben jedoch ein Bankhaus auftat, das die Kapitalien aufsaugte, fieberhaft spekulierte und sich in alle erdenklichen Abenteuer stürzte. Dank dem kräftigen Antrieb,
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