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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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der von seinem Direktor ausging, erlangte der Crédit viticole bald einen über jeden Zweifel erhabenen Ruf der Zuverlässigkeit und Rentabilität. Als es im Anfang darauf ankam, eine Menge frisch aus der Presse gekommener neuer Aktien auf den Markt zu werfen und ihnen das Aussehen zu geben, als wären sie schon längst im Verkehr, hatte Saccard die geniale Idee, eine ganze Nacht lang Kassenboten darauf herumtreten und die Papiere mit Birkenbesen bearbeiten zu lassen. Man hätte den Crédit viticole für eine Zweigstelle der Bank von Frankreich halten können. Das palastartige, von oben bis unten in Büros aufgeteilte Gebäude mit seinem Hof voll Equipagen, seinen strengen Gittern, der breiten Freitreppe und dem monumentalen Treppenhaus, mit den langen Reihen verschwenderisch eingerichteter Arbeitszimmer, der Menge von Angestellten und livrierten Dienern schien der ernste und würdige Tempel des Geldes zu sein; und nichts versetzte das Publikum in andächtigere Ergriffenheit als das Allerheiligste, die Kasse, zu der ein Korridor von weihevoller Nüchternheit führte und wo man den Kassenschrank, den Gott, erblickte, wie er da kauerte, mit eingegossenen Klammern an der Mauer befestigt, untersetzt und regungslos, mit seinen drei Schlössern, seinen schweren Flanken und dem Aussehen eines göttlichen Tiers.
    Saccard brachte ein Riesengeschäft mit der Stadt zustande. Diese, mit Schulden belastet, fast davon erdrückt, hineingerissen in den Tanz der Millionen, den sie entfesselt hatte, um dem Kaiser zu gefallen und gewisse Taschen zu füllen, war zur Aufnahme verschleierter Darlehen gezwungen, da sie ihren hitzigen Übereifer, ihren Spitzhacken und Bauschuttwahnsinn nicht eingestehen wollte. Soeben hatte sie deshalb sogenannte »Delegationsbons« ausgegeben, eigentlich richtige Wechsel auf lange Sicht, mit denen sie bei Abschluß der Verträge die Unternehmer bezahlte, die sich dann ihrerseits durch den Verkauf dieser Bons Bargeld beschaffen konnten. Der Crédit viticole hatte diese Papiere aus den Händen der Unternehmer in zuvorkommender Weise angenommen. An dem Tage, als die Stadt Geld brauchte, trat Saccard als Versucher auf. Eine beträchtliche Summe wurde ihr vorgestreckt gegen eine Ausgabe von Delegationsbons, die Herr ToutinLaroche, wie er versicherte, von konzessionierten Gesellschaften erhalten hatte und die er durch alle Gossen der Spekulation schleifte. Von nun an war der Crédit viticole unangreifbar; er hielt Paris an der Gurgel. Der Direktor sprach nur noch mit einem Lächeln von der berühmten Allgemeinen Marokkanischen Hafengesellschaft; dennoch lebte sie immer noch, und die Blätter fuhren fort, regelmäßig die großen Handelsstationen zu preisen. Als eines Tages Herr ToutinLaroche Saccard dazu veranlassen wollte, Aktien dieser Gesellschaft zu übernehmen, lachte er ihm ins Gesicht und fragte ihn, ob er ihn für dumm genug halte, sein Geld bei der »Allgemeinen TausendundeineNachtGesellschaft« anzulegen.
    Bis jetzt hatte Saccard glücklich gespielt, ein sicheres Spiel, er hatte betrogen, Bestechungsgelder geschluckt, bei jedem Handel sein Aufgeld eingestrichen, aus all seinen Finanzoperationen irgendeinen Gewinn gezogen. Bald genügten ihm diese Spekulationen nicht mehr, es ging ihm gegen die Ehre, nur Nachlese zu halten, das Gold aufzuheben, das ein ToutinLaroche oder ein Baron Gouraud hinter sich fallen ließen. Er steckte die Arme bis zur Schulter in den Sack. Er machte gemeinsame Sache mit Mignon, Charrier und Compagnie, diesen berühmten Unternehmern, die zwar noch in ihren Anfängen steckten, später aber Riesenvermögen erwerben sollten. Die Stadt hatte bereits beschlossen, jene großen Arbeiten nicht mehr selber auszuführen, sondern die Anlage der Boulevards in Bausch und Bogen zu vergeben. Die konzessionierten Gesellschaften verpflichteten sich, gegen eine vereinbarte Entschädigung eine vollständig ausgebaute Straße samt gepflanzten Bäumen, den Bänken und Gaslaternen zu liefern. Manchmal bauten sie die Straße sogar umsonst; sie fanden sich reichlich bezahlt durch die angrenzenden Grundstücke, die sie für sich behielten und deren Wert sie beträchtlich in die Höhe trieben. Die fieberhafte Bodenspekulation, die wahnsinnige Grundstückshausse datieren aus dieser Epoche. Durch seine Verbindungen erhielt Saccard die Konzession für drei Boulevard Abschnitte. Er wurde die leidenschaftliche, etwas wirre Seele der Gesellschaft. Die Herren Mignon und Charrier, ursprünglich seine Kreaturen,

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