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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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waren grobe und geriebene Gesellen, Maurermeister, die den Wert des Geldes kannten. Sie lachten insgeheim über Saccards Aufwand; meistens liefen sie in ihren Arbeitsblusen herum, waren bereit, einmal selbst Hand anzulegen, und kamen mit Gipsstaub bedeckt nach Hause. Alle beide stammten aus Langres. Sie brachten in dieses heiße, durstige Paris die Lebensklugheit der Menschen aus der Champagne90 mit, ihren ruhigen, nicht sehr aufgeschlossenen, wenig geistvollen Verstand, der sie aber durchaus dazu befähigte, jede Gelegenheit auszunutzen, um sich die Taschen zu füllen; den Genuß verschoben sie auf später. Wenn Saccard die Geschäfte in Gang brachte, sie mit seiner Leidenschaftlichkeit, seiner tollen Gier vorwärtstrieb, so bewahrten die Herren Mignon und Charrier sie durch ihren Alltagsverstand, ihr von der Gewohnheit bestimmtes engherziges Vorgehen mehr als zwanzigmal davor, infolge der erstaunlichen Einfälle ihres Gesellschafters Schiffbruch zu erleiden. Niemals gaben sie ihre Zustimmung zum Bau des prächtigen Büros, des Palais, womit er ganz Paris in Staunen zu setzen gedachte. Ebenso wiesen sie die Nebenspekulationen zurück, die jeden Morgen seinem Kopf entsprangen: Errichtung von Konzertsälen, großen Badeanstalten auf den Randparzellen, von Eisenbahnen längs der neuen Boulevards, von glasüberdeckten Gängen, die den Mietzins der Läden verzehnfachen und es ermöglichen sollten, trockenen Fußes durch Paris zu spazieren. Und dergleichen Projekte, die die beiden Unternehmer erschreckten, zu unterbinden, beschlossen diese, die Randparzellen unter die drei Gesellschafter aufzuteilen, damit jeder mit seinem Anteil machen könnte, was er wollte. Sie selber verkauften weiterhin besonnen ihre Parzellen. Saccard aber ließ bauen. In seinem Kopfe gärte es. Er wäre imstande gewesen, allen Ernstes vorzuschlagen, Paris unter eine riesige Glasglocke zu setzen, tun es in ein Treibhaus zu verwandeln und dort Ananas und Zuckerrohr zu ziehen.
    Bald besaß er, da er mit Kapitalien um sich werfen konnte, acht Häuser an den neuen Boulevards. Vier davon waren vollkommen fertiggestellt, zwei in der Rue de Marignan und zwei auf dem Boulevard Haussmann; die anderen vier, am Boulevard Malesherbes gelegen, blieben im Bau stecken, und eines davon, ein großzügig geplanter Prachtbau, lag hinter einem weitläufigen Bretterzaun und war einstweilen nur bis zum Fußboden des ersten Stockwerks gediehen. Zu dieser Zeit komplizierten sich Saccards Geschäfte derart, mußte er so viele Interessen wahrnehmen, hielt er so viele Fäden in den Händen und mußte so viele Marionetten in Bewegung setzen, daß ihm kaum drei Stunden Schlaf blieben und er seine Korrespondenz unterwegs im Wagen las. Das Wunder dabei war, daß seine Kasse unerschöpflich zu sein schien. Er war an jedem Aktienunternehmen beteiligt, baute geradezu wie besessen, hatte die Hand überall im Spiel, drohte, wie ein flutendes Meer Paris unter Wasser zu setzen, und doch sah man nie, daß er einen deutlich erkennbaren Gewinn erzielt oder vor aller Augen eine beträchtliche Summe eingeheimst hätte. Dieser Goldstrom aus unbekannter Quelle, der in mächtigen Wogen aus seinem Arbeitszimmer hervorzubrechen schien, setzte die Einfältigen in Erstaunen und machte zu einem gewissen Zeitpunkt aus Saccard den berühmten Mann, dem die Zeitungen alle Börsenwitze in den Mund legten.
    Die ehelichen Bande zwischen Renée und einem solchen Gatten waren die denkbar lockersten. Sie bekam ihn oft wochenlang nicht zu Gesicht. Er verhielt sich übrigens tadellos: er öffnete seine Kasse weit für sie. Im Grunde genommen schätzte sie ihn wie einen gefälligen Bankier. Bei ihren Besuchen im Palais Béraud lobte sie ihn sehr vor ihrem Vater, den der Reichtum seines Schwiegersohns düster und kalt ließ. Renée verachtete Saccard nicht mehr; dieser Mann schien so überzeugt davon, daß das Leben lediglich ein Geschäft sei, war so offensichtlich dazu geboren, aus allem, was ihm unter die Hände kam, Geld zu machen, aus Frauen, Kindern, Pflastersteinen, Säcken voll Gips, Gewissensangelegenheiten, daß sie ihm seinen Heiratshandel nicht mehr verübelte. Seit diesem Handel sah er seine Frau etwa so an wie eines seiner schönen Häuser, die ihm Ehre einbrachten und aus denen er Riesenprofite zu ziehen hoffte. Er wünschte, daß sie gut angezogen sei, gut aussehe, ganz Paris den Kopf verdrehe. Das festigte seine Stellung, ließ sein Vermögen doppelt so hoch erscheinen. Er war schön, jung, galt

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