Die Beute - 2
nicht meine Art ist, Ihre Ausgaben nachzuprüfen. Ich will nur bemerken, daß gewisse Einzelheiten dieser Rechnung mich etwas überrascht haben. So zum Beispiel sehe ich hier auf der zweiten Seite ›Balltoilette: Stoff siebzig Francs; Façon sechshundert Francs; vorgestrecktes Geld fünftausend Francs: Eau du docteur Pierre sechs Francs.‹ Da hätten wir also ein Ballkleid von nur siebzig Francs Material, das schließlich reichlich hoch kommt … Aber Sie wissen ja, daß ich für alle Schwächen Verständnis habe. Ihre Rechnung beträgt hundertsechsunddreißigtausend Francs, und Sie sind, relativ genommen, beinahe sparsam gewesen … Nur kann ich, wie gesagt, nicht zahlen, ich bin nicht bei Kasse.«
Mit einer Gebärde verhaltenen Verdrusses streckte sie die Hand aus.
»Gut«, sagte sie trocken, »geben Sie mir die Rechnung zurück. Ich werde überlegen, was sich tun läßt.«
»Ich sehe, Sie glauben mir nicht«, murmelte Saccard, dem die Ungläubigkeit seiner Frau in bezug auf seine Geldverlegenheit einen geheimen Triumph bereitete. »Ich behaupte nicht, daß meine Lage bedrohlich ist, aber die Geschäfte sind augenblicklich recht schwierig … Lassen Sie mich, obwohl ich Ihnen damit lästig falle, die Sachlage erklären; Sie haben mir Ihre Mitgift anvertraut, und ich schulde Ihnen volle Offenheit.«
Er legte die Rechnung auf den Kamin, nahm die Feuerzange und begann, in der Glut zu stochern. Diese Manie, in der Asche zu wühlen, während er Geschäftliches erörterte, war bei ihm eine Berechnung, die in Gewohnheit ausgeartet war. Kam er zu einer Ziffer oder einer Erklärung, die ihm nicht recht von den Lippen wollte, so brachte er die Holzscheite in Unordnung und baute sie dann mühsam wieder auf, indem er sie dicht aneinanderschob und die kleinen Späne zusammensuchte und aufschichtete. Gelegentlich verschwand er beinahe im Kamin, um ein entferntes Stückchen Glut heranzuholen. Seine Stimme wurde dann undeutlicher, man wurde ungeduldig und interessierte sich für seine kunstvollen Bauten aus glühenden Kohlen, man hörte ihm gar nicht mehr zu und verließ ihn gewöhnlich unterlegen und befriedigt zugleich. Selbst bei anderen Leuten bemächtigte sich Saccard selbstherrlich der Feuerzange. Im Sommer pflegte er mit einem Federhalter, einem Brieföffner oder einem Messer zu spielen.
»Meine liebe Freundin«, sagte er und stieß dabei so heftig ins Feuer, daß die Glut auseinanderstob, »ich muß nochmals um Entschuldigung bitten, wenn ich so ins einzelne gehe … Ich habe Ihnen immer die Zinsen der Kapitalien, die Sie mir anvertrauten, pünktlich ausgezahlt. Ich darf sogar, ohne Ihnen zu nahe zu treten, behaupten, daß ich diese Zinsen stets lediglich als Ihr Taschengeld betrachtet, im übrigen alle Ihre Ausgaben beglichen und niemals den halben Betrag der gemeinschaftlichen Haushaltskosten von Ihnen verlangt habe.«`
Er schwieg. Renée litt; es war ihr unerträglich, zu sehen, wie er ein tiefes Loch in die Asche bohrte und darin das Ende eines Holzscheites vergrub. Jetzt gelangte er zu einem heiklen Geständnis.
»Ich mußte, das werden Sie verstehen – Ihr Geld so anlegen, daß es sehr hohe Zinsen bringt. Die Kapitalien sind in guten Händen, seien Sie beruhigt … Was den Erlös aus Ihren Gütern in der Sologne betrifft, so hat er teilweise zur Bezahlung des Hauses gedient, das wir bewohnen, der Rest ist in einem erstklassigen Unternehmen investiert, in der Allgemeinen Marokkanischen Hafengesellschaft. Wir brauchen einander keinerlei Rechenschaft abzulegen, nicht wahr? Aber ich möchte Ihnen beweisen, daß die armen Ehemänner manchmal sehr verkannt werden.«
Ein sehr schwerwiegender Grund mußte ihn veranlassen, weniger zu lügen, als es sonst seine Art war. In Wirklichkeit war Renées Mitgift schon längst nicht mehr vorhanden, sie war in Saccards Kasse in einen fiktiven Wert übergegangen. Wenn er auch mehr als zweihundert oder dreihundert Prozent Zinsen auszahlte, hätte er doch niemals auch nur ein einziges Wertpapier aufweisen noch den kleinsten Teil flüssigen Geldes von dem ursprünglichen Kapital wieder auftreiben können. Wie er durchblicken ließ, waren die fünfhunderttausend Francs aus den Gütern an der Sologne als erste Abschlagszahlung für das Palais und dessen Einrichtung verwendet worden, die zusammenannähernd zwei Millionen gekostet hatten. Eine Million schuldete er noch dem Tapezier und dem Bauunternehmer.
»Ich verlange nichts von Ihnen zurück«, sagte Renée endlich, »ich weiß,
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