Die Beute - 2
daß ich tief in Ihrer Schuld hin.«
»O liebe Freundin«, rief er aus und ergriff, ohne die Feuerzange loszulassen, die Hand seiner Frau, »was für einen abscheulichen Gedanken haben Sie da! Kurz gesagt: sehen Sie, ich hatte Pech an der Börse, ToutinLaroche hat Dummheiten gemacht, und Mignon und Charrier sind Flegel, die mich übers Ohr gehauen haben. Das ist der Grund, warum ich Ihre Rechnung nicht bezahlen kann. Sie verzeihen mir, nicht wahr?«
Er schien wirklich bewegt zu sein. Er stieß mit der Zange zwischen die Scheite, daß die Funken wie Raketen aufsprühten. Renée kam es jetzt zum Bewußtsein, daß er seit einiger Zeit recht unruhig war. Doch die ganze erstaunliche Wahrheit vermochte sie nicht zu fassen. Saccard hatte täglich ein Kraftstück vollbringen müssen. Er bewohnte ein Palais von zwei Millionen, er führte ein Haus, als verfüge er über fürstliche Einkünfte, und doch hatte er an manchem Morgen keine tausend Francs in seiner Kasse. Seine Ausgaben schienen sich nicht zu verringern. Er lebte von Schulden, inmitten einer ganzen Armee von Gläubigern, die Tag für Tag die anrüchigen Gewinne verschlangen, die er aus gewissen Geschäften zog. Unterdessen brachen gleichzeitig mehrere Handelsgesellschaften zusammen, an denen er beteiligt war, taten sich neue Abgründe auf, über die er hinwegsetzte, da er sie nicht auszufüllen vermochte. So schritt er auf unterhöhltem Boden dahin, in einer ständigen Krise, beglich Rechnungen von fünfzigtausend Francs, bezahlte aber seinem Kutscher nicht den Lohn; mit immer majestätischerem Selbstbewußtsein schritt er dahin und schüttete wie ein Rasender seine leere Kasse, der ein Goldstrom von sagenhafter Herkunft entquoll, über Paris aus.
Für die Spekulation waren schlechte Zeiten angebrochen. Saccard erwies sich als würdiges Kind des Hôtel de Ville. Er hatte die schnelle Umstellung mitgemacht, das Fieber des Genusses, die blinde Verschwendungssucht, die ganz Paris erschütterte. Wie die Stadt, stand auch Saccard in diesem Augenblick einem furchtbaren Defizit gegenüber, das im geheimen ausgeglichen werden mußte, denn er wollte nichts von Mäßigung, Sparsamkeit, von einem ruhigen, soliden, bürgerlichen Dasein hören. Er zog es vor, es bei seinem unnötigen Aufwand zu belassen und bei dem tatsächlichen Elend dieser neuangelegten Straßenzüge, aus dem er jeden Morgen das riesige Vermögen gezogen hatte, das abends bereits wieder verzehrt war. So ging es von Abenteuer zu Abenteuer, und er besaß nur noch die vergoldete Fassade eines nicht vorhandenen Kapitals. In dieser Zeit überhitzter Tollheit verpfändete selbst die Stadt Paris ihre Zukunft nicht mit wilderem Schwung, ging nicht unbesehener auf alle Torheiten und jeden Finanzschwindel ein. Die Abrechnung drohte furchtbar zu werden.
Die schönsten Spekulationen zerrannen Saccard unter den Händen. Er hatte, wie er eingestand, beträchtliche Verluste an der Börse erlitten. Herr ToutinLaroche hätte beinahe den Crédit viticole bei einer Spekulation à la hausse zugrunde gerichtet, die sich plötzlich zu seinen Ungunsten wandte; zum Glück hatte die Regierung unter der Hand eingegriffen und die berühmte Maschine zur Gewährung von Darlehen an die Weinbauern in Gang gehalten. Saccard, durch diesen doppelten Schlag stark erschüttert und zudem von seinem Bruder, dem Minister, recht unsanft behandelt, da die Delegationsbons der Stadt durch die des Crédit viticole gefährdet gewesen waren, hatte noch weniger Glück bei seinen Häuserspekulationen. Mignon und Charrier hatten vollständig mit ihm gebrochen. Wenn er sie beschimpfte, so geschah es aus heimlicher Wut, weil er selber falsch gehandelt hatte, als er auf seinem Grundstücksanteil bauen ließ, indes sie den ihren vorsichtig verkauften. Während jene ein Vermögen erwarben, hatte er Häuser auf dem Hals, die er oft nur mit Verlust loswerden konnte. Unter anderem verkaufte er für dreihunderttausend Francs ein Palais in der Rue de Marignan, auf dem noch dreihundertachtzigtausend Francs Schulden lagen. Er hatte zwar einen ganz seiner Art entsprechenden Trick ersonnen, der darin bestand, daß er zehntausend Francs für eine Wohnung verlangte, die höchstens achttausend wert war; der entsetzte Mieter unterschrieb den Vertrag erst, nachdem der Eigentümer für zwei Jahre auf den Mietzins verzichtet hatte; auf diese Weise war die Wohnung auf ihren tatsächlichen Wert heruntergesetzt, der Mietvertrag wies aber die Summe von zehntausend Francs pro
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