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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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weiter nichts. Und wieder hörte sie im Rollen des Wagens jenes betäubende Orchester des Boulevards, das Kommen und Gehen von Männern und Frauen, während ihr feurige Streifen in den müden Augen brannten.
    Auch Maxime träumte voller Mißbehagen in seiner Ecke. Das Geschehene ärgerte ihn. Er gab dem schwarzen Seidendomino die Schuld. Hatte man je eine Frau so verrückt angezogen gesehen? Man sah nicht einmal ihren Hals. Er hatte sie für einen Jungen gehalten, hatte mit ihr gespielt, und es war nicht seine Schuld, daß aus dem Spiel Ernst geworden war. Er hätte sie gewiß nicht einmal mit einer Fingerspitze angerührt, wenn auch nur ein Stückchen Schulter zu sehen gewesen wäre. Er hätte sich dann erinnert, daß er die, Frau seines Vaters vor sich hatte. Und da er keinen Freund von unangenehmen Überlegungen war, verzieh er sich. Schlimm, aber nicht zu ändern; er würde sich bemühen, die Sache nicht fortzusetzen. Es war eben ein dummer Streich.
    Der Wagen hielt, und Maxime stieg als erster aus, um Renée behilflich zu sein. Doch an der kleinen Parktür wagte er nicht, sie zu küssen. Sie reichten sich nur wie gewöhnlich die Hand. Sie war schon jenseits des Gitters, als sie, um doch irgend etwas zu sagen, wobei sie unfreiwillig eine Unruhe eingestand, die, seit sie das Restaurant verlassen, ihr selber unbewußt ihre Träumerei gestört hatte, Maxime fragte: »Was ist das eigentlich mit dem Kamm, von dem der Kellner sprach?«
    »Mit dem Kamm?« wiederholte Maxime verlegen. »Aber ich weiß wirklich nicht …«
    Plötzlich war Renée alles klar. In dem Séparée gab es zweifellos einen Kamm, der ebenso zur Einrichtung gehörte wie die Vorhänge, der Riegel und der Diwan. Und ohne eine Erklärung abzuwarten, die ohnehin nicht kam, verschwand sie mit eiligen Schritten in der Dunkelheit des Parc Monceau, als glaube sie, hinter sich die Zähne des Schildpattkamms zu sehen, in dem vermutlich Laure d’Aurigny und Sylvia blonde und schwarze Haare zurückgelassen hatten … Sie hatte hohes Fieber. Céleste mußte sie zu Bett bringen und bis zum Morgen bei ihr wachen. Maxime verweilte einen Augenblick auf dem Gehsteig des Boulevard Malesherbes und überlegte, ob er noch mit der lustigen Gesellschaft im Café Anglais zusammentreffen sollte, dann beschloß er schlafen zu gehen, in der Annahme, sich dadurch zu bestrafen.
    Am folgenden Morgen wachte Renée nach einem schweren, traumlosen Schlummer spät auf. Sie ließ tüchtig heizen und erklärte, sie wolle den Tag über im Zimmer bleiben. Das war immer ihre Zufluchtsstätte für schwere Stunden. Als ihr Gatte bemerkte, daß sie nicht zum Frühstück herunterkam, fragte er gegen Mittag an, ob er sie einen Augenblick sprechen dürfe. Leise beunruhigt, wollte sie schon abschlägig antworten, besann sich dann aber anders. Am Abend vorher hatte sie Saccard eine Rechnung von Worms eingehändigt, die sich auf hundertsechsunddreißigtausend Francs belief, eine reichlich hohe Summe, und sicher wollte ihr Mann ihr galanterweise die Quittung persönlich bringen.
    Sie dachte an die kleinen Löckchen von gestern. Mechanisch besah sie im Spiegel ihr Haar, das Céleste in dicke Zöpfe geflochten hatte. Dann kuschelte sie sich am Kaminfeuer zusammen und vergrub sich in die Spitzen ihres Morgenrocks. Saccard, dessen Räume ebenfalls im ersten Stock, aber am anderen Ende als die seiner Frau lagen, erschien als Ehemann, in Pantoffeln. Er setzte höchstens einmal im Monat den Fuß in Renées Zimmer, und stets nur wegen irgendeiner heiklen Geldangelegenheit. An diesem Morgen hatte er gerötete Augen und die blasse Gesichtsfarbe eines Mannes, der eine schlaflose Nacht hinter sich hat. Er küßte der jungen Frau ritterlich die Hand.
    »Sie fühlen sich nicht wohl, meine liebe Freundin?« fragte er und nahm an der anderen Ecke des Kamins Platz. »Eine kleine Migräne, nicht wahr? Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen mit meinen komplizierten Geschäftsangelegenheiten den Kopf beiß machen muß; aber die Sache ist ziemlich schwerwiegend …«
    Er entnahm einer der Taschen seines Hausrocks die Rechnung von Worms, die Renée an dem satinierten Papier erkannte.
    »Ich habe gestern diese Rechnung auf meinem Schreibtisch gefunden«, fuhr er fort, »und ich bin untröstlich darüber, sie augenblicklich durchaus nicht begleichen zu können.«
    Mit einem verstohlenen Blick verfolgte er die Wirkung seiner Worte. Renée schien äußerst erstaunt. Dann fuhr er lächelnd fort: »Sie wissen, liebe Freundin, daß es

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