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Die Beute - 2

Die Beute - 2

Titel: Die Beute - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gebeiztem Birnbaum, die mit ziseliertem Messing verziert waren. Er selbst hatte den Titel eines Enteignungsagenten angenommen; das war ein neuer Beruf, den die Straßenbauarbeiten von Paris mit sich gebracht hatten. Seine Verbindungen mit dem Hôtel de Ville verschafften ihm im voraus Kenntnis von den beabsichtigten neuen Straßendurchbrüchen. War es ihm mit Hilfe eines Mitglieds der Straßenbaukommission gelungen, den Verlauf eines Boulevards zu erfahren, so bot er den bedrohten Besitzern seine Dienste an. Und er verwandte seine Mittelchen nutzbringend dazu, die Entschädigungssummen zu erhöhen, indem er dem »Dekret zugunsten des Allgemeininteresses« zuvorkam. Ging ein Hauseigentümer auf Larsonneaus Anerbieten ein, so übernahm dieser sämtliche Unkosten, zeichnete einen Plan der Liegenschaft, schrieb ein Gesuch, verfolgte die Angelegenheit vor Gericht, bezahlte einen Advokaten – alles gegen einen bestimmten Prozentsatz von der Differenz zwischen dem Angebot der Stadt und der von den Sachverständigen bewilligten Entschädigungssumme. Doch mit diesem einigermaßen rechtschaffenen Geschäft verband er mehrere andere. Vor allem lieh er auf Wucherzins. Er war nicht mehr der Wucherer der alten Schule, zerlumpt und schmutzig, mit Augen, stumpf und leblos wie Hundertsousstücke, und mit Lippen, so farblos und zusammengezogen wie die Schnüre eines Geldbeutels. Larsonneau lächelte, sah die Leute liebenswürdig an, bezog seine Kleidung von Dusautoy, frühstückte mit seinem Opfer bei Brébant, titulierte es »Mein Bester« und bot ihm beim Dessert Havannazigarren an. In seinem Herzen aber, unter der Weste, die ihm wie angegossen saß, war Larsonneau ein schrecklicher Patron, der die Einlösung eines Schuldscheins notfalls bis zum Selbstmord des Schuldners betrieben haben würde, ohne dabei etwas von seiner Liebenswürdigkeit einzubüßen.
    Saccard hätte sich gern einen anderen Gesellschafter gesucht. Aber er war stets in Sorge wegen des falschen Inventars, das Larsonneau sorgfältig hütete. So zog er es vor, ihn bei seinem Geschäft mittun zu lassen, und rechnete dabei auf eine Gelegenheit, wieder in den Besitz des gefährlichen Schriftstücks zu gelangen. Larsonneau errichtete das KonzertCafé, einen Bau aus Fachwerk und Gips, gekrönt von Blechtürmchen, die er in grellem Gelb und Rot anstreichen ließ. Garten und Spiele fanden in der dichtbevölkerten Gegend von Charonne großen Anklang. Nach Verlauf von zwei Jahren schien die Unternehmung erfolgreich, wenn auch der wirkliche Reingewinn recht gering war. Bis jetzt hatte sich Saccard zu seiner Frau nur mit Begeisterung über die Zukunft dieser großartigen Idee geäußert.
    Als Renée sah, daß sich ihr Mann nicht entschließen konnte, aus dem Kamin hervorzukommen, von wo seine Stimme immer gedämpfter zu ihr drang, sagte sie: »Ich werde noch heute zu Larsonneau gehen. Das ist meine einzige Rettung.«
    Da ließ Saccard von dem Holzscheit ab, mit dem er kämpfte.
    »Die Sache ist schon erledigt, liebe Freundin«, antwortete er lächelnd. »Komme ich nicht allen Ihren Wünschen zuvor? – Ich war gestern abend bei Larsonneau.«
    »Und hat er Ihnen die hundertsechsunddreißigtausend Francs zugesagt?« fragte sie angstvoll.
    Er häufte zwischen zwei brennenden Scheiten einen kleinen Glutberg auf, wofür er mit der Feuerzange gewissenhaft die kleinsten Kohlenstückchen zusammenlas, und betrachtete befriedigt das Wachstum dieses Hügelchens, das er mit unendlicher Kunst aufbaute.
    »Nur nicht gar zu hitzig!« murmelte er. »Hundertsechsunddreißigtausend Francs sind eine anständige Summe … Larsonneau ist ein guter Junge, aber sein Geldbeutel ist noch bescheidener. Er ist durchaus geneigt, Ihnen gefällig zu sein …«
    Er zögerte, zwinkerte mit den Augen und baute eine Seite des Gluthäufchens, die soeben abgebröckelt war, wieder auf. Dieses Spiel begann die Gedanken der jungen Frau zu verwirren. Unwillkürlich folgte sie dem Tun ihres Mannes, dessen Ungeschicklichkeit zunahm. Sie fühlte sich versucht, ihm Ratschläge zu geben. Worms, die Rechnung und die Geldnot vergessend, sagte sie schließlich: »Aber schieben Sie doch das große Stück da unter die übrigen, dann werden die andern schon halten.«
    Fügsam gehorchte ihr Gatte und fuhr dabei fort: »Er kann nur fünfzigtausend Francs aufbringen. Das ist immerhin eine hübsche Anzahlung … Nur möchte er diese Angelegenheit nicht mit der von Charonne vermengen. Er ist hier nur Vermittler, verstehen Sie,

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