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Die Beute

Die Beute

Titel: Die Beute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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gesehen, was er alles tun kann. Er ist übermenschlich. Wie kann ich da noch mithalten?«
    Und da, dachte Jenny, liegt das eigentliche Problem. Wenn Tom Locke, der makellose Tom, einen Makel hatte, dann war es dieser. Er war es gewohnt, immer zu gewinnen, leicht zu gewinnen. Tom tat nichts, was
er nicht gleich beim ersten Mal richtig konnte. Er versuchte es erst gar nicht, wenn er dachte, dass er scheitern könnte.
    »Außerdem brauchst du mich nicht mehr.«
    Oh. Das war es also, was er dachte.
    Jenny schloss die Augen.
    »Du irrst dich«, flüsterte sie. »Ich habe dich heute den ganzen Tag gebraucht. Und du warst nicht da …«
    »He – oh, Jenny, weine nicht. He, Jen.« Seine Stimme hatte sich verändert. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, dann den ganzen Arm um sie. Er tat es unbeholfen, als sei es das erste Mal.
    Jenny konnte die Tränen nicht aufhalten.
    »Wein doch nicht. Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.« Er beugte sich vor, um mit der freien Hand auch ihre andere Schulter zu umfassen.
    Jenny öffnete ihre tränenfeuchten Augen.
    Er sah ihr ins Gesicht, er war so nah. Der grimmige Ausdruck war verschwunden und an seine Stelle war jetzt Sorge getreten – und Liebe. Gequälte Liebe. In diesem Moment sah Jenny unter das glatte, perfekte Äußere von Tom Locke, unter seinen Panzer.
    »Tommy …«, flüsterte sie, und ihre Hand fand seine, und ihre Finger verflochten sich ineinander.
    Dann machte er oder sie eine Bewegung – Jenny würde sich niemals daran erinnern, wer es gewesen war –, und sie lag in seinen Armen. Verzweifelt hielten sie einander fest.

    Erleichterung durchflutete Jenny und sie stieß einen kleinen Schluchzer aus. Es tat so gut, wieder in Toms Armen zu sein. Gleich würde er sie küssen, gleich würde alles wieder in Ordnung sein.
    Doch dann – passierte es. Der RX-7 war eher klein, und als Tom sich ein wenig zurückzog, um sie zu küssen, berührte er mit seiner Hand oder seinem Ellbogen die Knöpfe des Radios. So musste es gewesen sein, denn plötzlich erklang Musik. Es war ein Lied, das Jennys Mutter manchmal hörte, ein Oldie von Dan Fogelberg. Noch nie zuvor hatte sie wirklich auf den Text geachtet, aber jetzt wehten die Worte deutlich durch den Wagen.
    »… Like the songs that the darkness composes to worship the light …«
    Jenny prallte zurück und ihr Herz setzte für einen Schlag aus.
    Gott, wer hatte sich so etwas ausgedacht? Wer hatte sich so etwas jemals ausgedacht? Was wusste ein Songschreiber aus den Siebzigern über die Dunkelheit, die das Licht verehrte?
    Sie starrte wie gebannt auf das Radio. Und aus dem Augenwinkel sah sie, dass Tom sie anstarrte.
    Jenny schlug mit der flachen Hand auf das Radio. Stille breitete sich im Wagen aus.
    Sie musste etwas sagen – aber ihr Kopf war leer. Alles, was sie hören konnte, war das Echo von Julians Stimme: »… deswegen will ich sie … Licht für meine Dunkelheit. Du wirst schon sehen – Tommy.«

    Die Stille wurde immer schrecklicher.
    »Ich bringe dich besser nach Hause«, sagte Tom, und seine Stimme war wieder genauso leer und höflich wie am Anfang. »Es ist schon spät.«
    »Es war nur ein Lied«, platzte Jenny heraus, aber sie wusste, dass das Lied nicht das Problem war. Das Problem war ihre Reaktion.
    »Du hast dich verändert, Jenny.«
    »Ich habe es so satt, das zu hören!«, fuhr Jenny auf, holte tief Luft und fügte dann hinzu: »Wenn ich mich so sehr verändert habe, willst du vielleicht gar nicht mehr mit mir zusammen sein. Vielleicht sollten wir besser Schluss machen.«
    Damit wollte sie ihn eigentlich nur schockieren. Doch dann begriff sie benommen, dass er ihr nicht widersprechen würde.
    »Ich bringe dich besser nach Hause«, wiederholte er nur.
    Jenny wünschte sich verzweifelt, die Worte zurücknehmen zu können, aber es war zu spät. Es war zu spät für alles. Ihr Stolz erlaubte ihr nicht mehr zu weinen oder zu sprechen. Sie saß wie erstarrt da, während sie zu ihr nach Hause fuhren. Tom begleitete sie hinein.
    Jennys Mutter stand auf der Schwelle zum Wohnzimmer.
    »Wo warst du?«, fragte sie scharf. Sie hatte dunkelgoldenes Haar und ein reizbares Temperament.
    »Es ist meine Schuld, Mrs Thornton«, sagte Tom.

    »Es ist nicht seine Schuld. Ich bin für mich selbst verantwortlich« , widersprach Jenny.
    »Hauptsache, du bist zu Hause«, sagte Mrs Thornton mit einem Seufzen. Ihr Zorn loderte schnell auf und erlosch noch schneller, ebenso wie bei Jenny. »Hast du Hunger, Jenny? Hast

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