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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Frauen so viel schwächer als andere wirken, wenn sie sich auf keine Macht mehr stützen können? Wie kommt es, daß von ihrer früheren stolzen Entschlußkraft nur noch die Kälte übrigbleibt? Vor sehr vielen Jahren hatte er seiner eigenen Mutter jegliche weitere Einmischung in die Politik untersagt, und da hatte auch sie sich voller Verbitterung zurückgezogen und ihr Herz gegen ihre Kinder verschlossen. Außer Teles hatte sie nie wieder einen Menschen an sich herangelassen.
    Gerswind schien sich von ihrer Mutter auch eine andere Vorstellung gemacht zu haben. Sie kreuzte die Arme vor der Brust, eine Geste, die Karl an ihr kannte und die besagte: Bleib mir vom Leib.
    »Du bist dünn. Läßt man dich hier hungern?« fragte Geva schließlich.
    »Nein, Mutter«, antwortete Gerswind, gespannt darauf, ob die ältere Frau sie in die Arme schließen würde. Sie wußte nicht, ob sie sich das wirklich wünschte. Es erschien ihr unmöglich, selbst auf die Frau zuzugehen, die so starr und fremd vor ihr stand und die einen Panzer der Unnahbarkeit um sich errichtet hatte. Gerswinds Gedanken gingen zur Begegnung mit ihrem Vater zurück. Obwohl sie damals nur so alt wie Judith jetzt gewesen war, konnte sie sich noch gut daran erinnern, wie ausgemergelt und erbärmlich er ihr vorgekommen war. Die Wirklichkeit konnte sich an den Träumen eben nicht messen. Das hatte sie bei Carolino ja auch erfahren.
    »Was wird mit ihnen geschehen?« wandte sich Gerswind fragend an Karl.
    »Was wohl! Sie sind Geiseln.«
    »Laß sie gehen!« bat Gerswind. »Aufstände sind nicht mehr zu befürchten. Meine Mutter ist alt, und es gibt keine Sachsen mehr, die sie aufwiegeln kann. Heilwig hat Kinder in Bayern, die sich nach der Mutter sehnen. Außerdem ist ihr Gemahl dein Vasall.«
    »Das hätte sie sich überlegen sollen, bevor sie sich ihrer Mutter angeschlossen hat.«
    »Ich habe mich meiner Mutter nicht angeschlossen«, meldete sich Heilwig zu Wort, »sondern sie mit meiner Tochter besucht. Ich wollte sie davon überzeugen, zu uns nach Bayern zu kommen und ihren Kampf aufzugeben.«
    »Mitgefangen, mitgehangen«, sagte Karl erbarmungslos. Sein Blick blieb an der kleinen Judith hängen. Sie war schon jetzt erheblich schöner als Gerswind in diesem Alter.
    »Ist es bei euch Sachsen nicht üblich, daß sich Familienmitglieder nach langer Trennung umarmen?« fragte Karl.
    »Das Wiedersehen«, antwortete Geva grimmig, »haben wir uns wohl alle ganz anders vorgestellt.«
    Obwohl er beinahe damit gerechnet hatte, überraschte es Karl dann doch ein wenig, als er an jenem Abend das kleine Stück seines Schenkelbandes an Gerswinds Zimmertür geheftet fand. Er klopfte kurz an und trat ein. Gerswind erhob sich von ihrem Stuhl und sah ihn an.
    »Ich vermute, daß du mit diesem Türschmuck weniger Sehnsucht nach meinem Körper ausdrücken wolltest als den Wunsch nach gewissen Verhandlungen«, begann er unverblümt.
    Gerswind nickte, erleichtert, daß er ohne Umschweife zur Sache kam. Sie hatte lange darüber nachgedacht, was sie selbst wollte, und war zu dem Schluß gekommen, daß sie die kalte fremde Frau, die ihre Mutter war und nichts mit jener Gestalt zu tun hatte, die sie sich so viele Jahre erträumt hatte, nicht näher kennenlernen wollte. Doch Geva sollte in Freiheit und Würde an einem Ort ihrer Wahl ihr Leben beschließen dürfen. Du sollst deine Eltern ehren. Und ihre Schwester mußte zurück, um ihren beiden in Bayern verbliebenen Kindern eine Mutter sein zu können. Damit diese nicht eine so herbe Enttäuschung erleben mußten wie Gerswind selbst. Das war alles, was sie für die Familie, der sie entstammte und die ihr dennoch so fremd war, noch tun konnte, und dafür war sie auch bereit, Karl zu Willen zu sein. Familie, wunderte sie sich. Wo bleibt die Stimme des Blutes? Sie hatte sie weder bei Widukind vernommen noch bei Geva. Karls Familie war tatsächlich die ihre geworden. Das wußte sie jetzt.
    Und allzu große Überwindung würde es sie auch nicht kosten, den Leib des Mannes, den sie liebte, auf ihrem zu spüren. Rasch verdrängte sie den Gedanken, daß sie sich sogar nach dieser so lange entbehrten Nähe sehnte. Gerade jetzt, da sie erlebt hatte, wie trügerisch die eigenen Gefühle – nämlich die ihrer Mutter gegenüber – gewesen waren, wie sehr sie sich in ihren Vorstellungen geirrt und falsche Hoffnungen genährt hatte, bedurfte sie der Versicherung einer unwandelbaren, unveränderlichen Liebe. Die ihr nur Karl bieten konnte. Und die

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