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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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er auch den anderen Frauen bot? Sie mochte zwar im Frauenhaus wohnen, aber mit Regina, Madelgard, Rathild, Adalinde, Hroswitha und der gerade erst eingezogenen drallen Odila hatte sie nichts gemein. Sie grüßte ihre Mitbewohnerinnen, lehnte aber einen näheren Umgang mit ihnen ab und sprang auch nur dann ins Badebecken, wenn keine der anderen in der Nähe war.
    Sie wußte, daß den anderen Frauen ihr Rang rätselhaft sein mußte und diese sich fragten, weshalb eine Frau in diesem Teil der vornehmen Villa Einzug hatte halten können, ohne daß der Kaiser sie jemals aufsuchte.
    Endlich begriff Gerswind, wie klug Karl darin gehandelt hatte, seine Friedelfrauen an einem für andere Menschen verbotenen Ort zu sammeln und sie somit auch einander auszusetzen. Durch die geschlossene Tür vernahm sie ihren Streit und ihre Friedensabkommen, hörte, wie sie sich mit ihren Erfolgen bei Karl brüsteten, wie sie über seine Abweisung weinten, sich verzweifelt an Erinnerungen glücklicher Nächte klammerten und manchmal auch einander trösteten. Wie sie sich einig darin waren, daß ein noch so winziger Teil des Kaisers ihnen weitaus mehr wert war als ein ganzer normaler Mann, der nur einer allein gehörte.
    Das Badehaus brachte die Beischläferinnen einander näher, und wenn die Schritte des Kaisers an den Wänden widerhallten, spürte Gerswind durch ihre Tür die Spannung, die in den anderen Gemächern lauerte. Durch welche Tür würde er an diesem Mittag, in dieser Nacht gehen? Der Kalif von Bagdad hatte Karl ein größeres Geschenk gemacht, als er auch nur ahnen konnte.
    Nun, Gerswind hatte mit diesem Spiel nichts zu schaffen. Sie rechnete es sich nicht als Ehre an, ›einen Teil des Kaisers‹ kurzzeitig besitzen zu können, sie tat jetzt nur ihre Pflicht als Tochter und Schwester. Das war sehr beruhigend.
    »Du kannst mit mir machen, was du willst«, erklärte sie nüchtern und schlüpfte bemüht unbekümmert aus ihrem Oberkleid, »wenn du meine Mutter und meine Schwester dahin ziehen läßt, wohin sie selbst wünschen.«
    »Ein interessanter Aspekt, würde Angilbert sagen«, entgegnete Karl, setzte sich auf das Bett und beobachtete genüßlich, wie sich Gerswind weiter auskleidete. Als sie nackt vor ihm stand, erhob er sich. Sie trat einen Schritt auf ihn zu, damit er sie in die Arme schließen konnte, doch er tat es nicht. Er schritt zur Tür, wandte sich noch einmal um, ließ seinen Blick gleichgültig über ihren Körper gleiten, gähnte gelangweilt und erklärte ausdruckslos: »Einverstanden. Du hast mein Wort. Ich werde sie gehen lassen. Noch etwas?«
    Gerswind starrte Karl ratlos an. Das Blut stieg ihr ins Gesicht. Rasch griff sie zu dem abgelegten Stoff und hielt ihn sich vor, um ihre Blöße zu bedecken.
    »Du verlangst keine Gegenleistung?« fragte sie, hoffend, daß ihre Stimme nicht die Unsicherheit verriet, die sich ihrer plötzlich bemächtigt hatte.
    »Nach welcher Kostbarkeit sollte ich deiner Ansicht nach denn Verlangen tragen?« rief er belustigt. »Was hast du mir denn zu bieten, das meinem großzügigen Angebot auch nur annähernd gerecht wird?«
    Sie sah stumm an sich herab und hielt die Lider gesenkt.
    »Erwähnte ich nicht schon einmal, daß mich das, was ich an jeder Ecke haben kann – zumal in diesem Haus –, wenig reizt? Nun, Gerswind, wenn dir nichts Besseres einfällt, werde ich mich jetzt wichtigeren Aufgaben widmen.« Er räusperte sich und setzte hinzu: »Zieh dir lieber etwas an, sonst erkältest du dich noch!«
    In sich hineingrinsend, zog er die Tür von außen wieder zu. Schon bevor er ins Frauenhaus gegangen war, hatte er Anordnung gegeben, Geva zu seiner Schwester ins Kloster Chelles zu schicken. Es behagte ihm nicht, eine Frau mit der Stimme seiner Mutter um sich zu haben, und Geva selbst hatte erklärt, es sei ihr gleich, wohin er sie schicke. Sie wolle nur irgendwo zur Ruhe kommen und sich von den Strapazen ihres Kampfes erholen. Heilwig sollte schon am nächsten Morgen mit einem Brief zu ihrem Gatten, dem Grafen Welf, nach Altdorf gebracht werden.
    Karl grinste immer noch, als er an Odilas Tür klopfte.
    Gerswind hatte Judith nicht erwähnt.
    Das kam ihm außerordentlich gelegen, denn es gehörte gewissermaßen zur Tradition, ein kleines Sachsenmädchen als Geisel am Hof zu halten.

13
    Liebe und Tod
    Die Jahre 804 bis 811
    Was für ein fürchterlicher Mann! Wutentbrannt starrte Gerswind auf die Tür, die sich hinter Karl geschlossen hatte. Wie konnte er sie so demütigen! Sie

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