Die Beutefrau
sein. Mit Geduld und Behutsamkeit gelang es ihr allmählich, Karl aus dem Gefängnis seiner Trauer zu befreien.
Sie wußte, daß das Schlimmste überstanden war, als Karl eines Tages zwei Grafensöhne in der Hofschule wegen ihrer Faulheit tadelte und ihnen beschied, daß er für den fleißig studierenden Sohn des Schmiedes bessere Verwendung hätte. Er wolle diesem Sohn einfacher Eltern eine glanzvollere Zukunft gewähren als den müßigen Kindern seiner Edelen.
»Ich gebe nicht viel auf euren Adel und euer hübsches Aussehen, wenn auch andere euch anstaunen mögen«, rief er den beiden Grafensöhnen zu. »Und dessen seid versichert: Wenn ihr nicht eiligst eure Faulheit durch Fleiß wiedergutmacht, so habt ihr von eurem Kaiser nichts Gutes zu erwarten!«
Ein halbes Jahr später kam schließlich der Tag, auf den Karl schier unendlich lange gewartet hatte. Kaiser Michael hatte seinen Gesandten Arsaphios nach Aachen geschickt. Jetzt endlich würde Karl die heißersehnte Bestätigung aus Byzanz erhalten.
In des Kaisers Gemach befestigte Gerswind am Abend des wichtigen Tages die goldene Spange am viereckigen Königsmantel. Lachend betrachtete der Kaiser seine edelsteinbesetzten Schuhe.
»Sie drücken«, sagte er. »Wie Reichtum doch schmerzen kann! Weit muß ich mit ihnen zum Glück ja nicht gehen. Aber diese verweichlichten Byzantiner lieben prächtige Gewänder, und wenn sie mich jetzt endlich als Kaiser anerkennen, sollen sie es auch glitzern sehen. Sonst halten sie mich doch noch für einen Barbaren.«
Gerswind stand ganz hinten im Saal, als Karl auf seinem Thron Platz nahm und die byzantinische Gesandtschaft empfing. Die Männer stimmten die Kaiserhymne an und begrüßten den Emperator Karl. Dieser überreichte Arsaphios die Friedensurkunde und lächelte gnädig.
Gerswind schüttelte den Kopf. Sie verstand nicht recht, weshalb Karl, dem sonst jegliches Gepränge zuwider war, so großen Wert auf dieses Schauspiel gelegt hatte. Doch als sie genauer hinsah, erkannte sie, daß Karl keineswegs überschwenglich erfreut schien. An seiner Schläfe zuckte eine Ader, ein deutliches Zeichen, daß er sich gewaltig ärgerte.
»Nichts Schriftliches!« rief er Gerswind in der Nacht nach dem Festgelage empört zu. »Nur Lobeshymnen aus dem Munde der Gesandten. Ich brauche eine schriftliche Bestätigung des oströmischen Kaisers und habe Arsaphios aufgetragen, gleich morgen heimzureisen und mit einem Vertrag zurückzukommen, der die Freundschaft zwischen unseren Reichen und meinen Rang als Kaiser des Westens besiegelt!«
Darauf sollte Karl vergeblich warten. Als Arsaphios Konstantinopel erreichte, hatte Michael nach einer verlorenen Schlacht gegen die Bulgaren bereits abgedankt, war ins Kloster gegangen und hatte den Kaiserthron General Leon übergeben. Und der hatte jetzt andere Sorgen, als sich mit dem Ansehen des Kaisers im Westen zu befassen.
Von allen Seiten bedrängt, stimmte Karl endlich zu, seinen Sohn Ludwig zum Mitkaiser zu krönen.
»Ich kann es nicht länger hinauszögern«, sagte er zu Gerswind. »Auch wenn mir das Herz bei dem Gedanken schwer wird, daß Ludwig die volle Souveränität haben soll.«
»Dann laß sie ihm doch nicht«, erwiderte sie heftig. »Ernenne wenigstens Pippins Sohn Bernhard zum König von Italien. Dein Enkel ist ein kluger Junge und wird Ludwig gewiß daran hindern, unüberlegte Entscheidungen zu treffen.«
»Mögest du recht haben«, erwiderte Karl seufzend.
»Du willst mich ohne den Papst zum Mitkaiser krönen?« fragte Ludwig empört, als ihm Karl seinen Entschluß mitteilte. »Wer soll mich dann salben?«
»Was brauchst du Öl, wenn du die Kaiserkrone trägst?« gab Karl müde zurück. »Was brauchst du den Papst, wenn dein Vater Kaiser ist?«
Ludwig kniff die Lippen zusammen. Er war noch nicht ganz am Ziel seiner Wünsche. Sobald sein Vater das Zeitliche segnete, würde er sich vom Heiligen Vater salben lassen, schwor er sich.
Im Gegensatz zu Karls eigener Kaiserkrönung dreizehn Jahre zuvor zeichnete sich die Krönung in Aachen durch bestrickende Schlichtheit aus. Vor der Reichsversammlung erklärte Karl in einfachen Worten, daß Ludwig nach ihm der Kaiser aller Franken sein werde und Bernhard ab jetzt König von Italien sei. In der Kirche, die Karl mit der eigenen Krone auf dem Haupt betrat, schritt er zum Altar, auf dem eine weitere Krone prunkte. Der Kaiser ergriff sie, hob sie empor und fragte die Versammlung, ob es recht sei, daß er seinen kaiserlichen Namen dem Sohn
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