Die Beutefrau
Weile genießen«, rief Karl und setzte hinzu: »Ach, meine geliebte Beutefrau! Verstehst du denn nicht, was ich dir hiermit sagen will?«
Sie schüttelte stumm den Kopf. Er lachte vergnügt.
»Wir sind einen weiten Weg miteinander gegangen, Gerswind«, sagte er, »und manchmal schien das Ziel schier unerreichbar. Wir haben zusammen furchtbare Zeiten durchgestanden, sind oft in die Irre gegangen und haben einander grausame Verletzungen zugefügt. Es gab Zeiten, da wir beide von Mißtrauen und Argwohn geschüttelt waren und einander beinahe verloren hätten. Doch wo keine Zweifel mehr herrschen, regiert die Liebe. Es wird Zeit, Hochzeit zu halten, meine Gerswind. Du sollst die erste Kaiserin des Reichs sein!«
Nachwort
»Ihre Träume, ihre Gefühle, ihre Sehnsüchte, ihre Ambitionen sind nicht überliefert«, schreibt der Historiker Gerd Treffer in seinem Buch ›Die französischen Königinnen‹ über Gerswind. Seine Theorie, das Sachsenmädchen sei die Tochter Widukinds gewesen, als Geisel an den Hof Karls des Großen gekommen und zur ›Gefährtin des alternden Kaisers‹ aufgestiegen, habe ich mit Freuden weitergesponnen. Damit bot sich mir die Möglichkeit, an meinen Roman ›Die Königsmacherin‹ anzuknüpfen, am Beispiel dieser ›Beutefrau‹ aufzuzeigen, wie Karls Hof und Reich Gestalt annahmen, und darzulegen, wie eng Heidentum und Christentum noch miteinander verwoben waren.
Im Gegensatz zu den historischen Frauengestalten meiner früheren Romane spielt die Hauptfigur dieses Buchs allerdings keine besondere Rolle in der Geschichte. Bei den meisten Historikern wird Gerswind als ›eine der vier letzten Konkubinen Karls des Großen‹ angeführt, höchstens noch erwähnt, daß sie Sächsin war und dem Kaiser eine Tochter namens Adeltrud schenkte. Mutig verleiht ihr Gerd Treffer eine größere Bedeutung und schreibt gar, Karl habe sie geheiratet, weshalb ihr als einziger seiner zahlreichen Gemahlinnen der Titel ›Kaiserin‹ zustünde. Das halte ich allerdings für eine überaus gewagte These, denn eine Frau dieses Rangs hätten selbst die Chronisten jener Zeit wohl kaum übergehen können. Zumal sie ja allesamt ausführlich über Karls ausuferndes Triebleben berichten. Mein Roman endet Weihnachten 813. Drei Wochen später ist Karl tot, hat demnach also keine Zeit mehr, Gerswind zur Gemahlin und Kaiserin zu erheben.
Wie es am Hof nach dem Tode Karls weiterging, welche Rolle Gerswind dabei spielte, daß ihre in diesem Roman bereits eingeführte Nichte Judith als zweite Gemahlin von Ludwig dem Frommen des Ehebruchs und der Hexerei angeklagt wurde, möchte ich gern in einem späteren Buch erzählen.
Spurensuche im frühen Mittelalter ähnelt einer Detektivarbeit, bei der die wenigen gesicherten Informationen aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt, gegeneinander abgewogen und miteinander in Bezug gesetzt werden müssen. Als Romanautorin darf ich es mir zusätzlich leisten, Schlußfolgerungen zu ziehen und Legenden einzuflechten wie beispielsweise den Ring der Fastrada und die Spuren im Schnee von Einhard und Emma. Die Historiker ordnen diese Anekdote allerdings Angilbert und Berta zu, da deren Sohn Nithard sie so überliefert hat. In der Karlsstadt Aachen hält sich jedoch über Jahrhunderte hinweg hartnäckig das Gerücht, Karls Tochter Emma habe ihren Liebhaber Huckepack genommen, eine Geschichte, ›die in Aachen jede Großmutter ihrer Enkelin erzählt‹. Da Karl keine Tochter namens Emma anerkannt hat, aber die Frau des erwiesenermaßen winzigen Schreibers so hieß, halte ich meine Lösung nicht für unwahrscheinlich.
Bei allen Freiheiten, die ich mir bei der Lebensgeschichte Gerswinds herausgenommen habe, versichere ich jedoch, daß ich an den historischen Überlieferungen nicht gerüttelt habe. Wie bei meinen anderen Büchern sollten sich meine Leser auch in diesem Roman auf geschichtliche Genauigkeit verlassen können. Ertappt mich aber dennoch jemand bei einem Fehler, wäre ich sehr dankbar, wenn mir dies über den Verlag mitgeteilt würde. Kenner der Epoche bitte ich allerdings um Gnade, daß ich viele wichtige historische Persönlichkeiten, beispielsweise Paulus Diaconus, Theodulf von Orléans und Wala, in diesem Roman ausgelassen habe. Um die Übersicht zu wahren und den Erzählfluß nicht zu stören, habe ich das Personal in meinem Buch auf jenes Minimum reduziert, das für die Geschichte von Gerswind und Karl von Bedeutung ist.
Das Niederschreiben hätte mir ohne meine
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