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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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nicht entgangen sein, daß sie sich bei den ausgelassenen Gelagen genauso zurückhielt wie er und immer schon längst verschwunden war, wenn zum Schluß die Siegespalme der Keuschheit jenem Mädchen verliehen wurde, das sich bei den Ausschweifungen am meisten zurückgehalten hatte! Warum mied er sie also?
    Seufzend stieg sie die letzten Stufen empor und bog in den Gang ein, an dessen Ende ihr Zimmer lag. Lautstarkes Brüllen aus Ludwigs Gemächern ließ sie anhalten.
    »Untersteh dich, Weib!« hörte sie die aufgebrachte Stimme Ludwigs. »Ich bin der König, und ich werde den Zeitpunkt selbst bestimmen, wann ich es meinem Vater mitteile.«
    Neugierig schlich Gerswind näher und legte ein Ohr an die Tür. Die Stimme von Ludwigs Gemahlin Irmingard klang ruhig und gefaßt.
    »Dein ältester ehelicher Sohn heißt Lothar und nicht Arnulf. Ich werde es nicht länger dulden, daß der Hof im Glauben verharrt, die Kinder deiner Kebse wären meine!«
    Gerswind hielt die Luft an. Die Zwillinge, deren Ankunft als Träger der Dynastie mit so großem Pomp gefeiert worden war, waren Bastarde! Welch eine Offenbarung! Endlich verstand Gerswind, weshalb die Königin von Aquitanien ihre Zwillinge fast gänzlich der Obhut von Ammen überließ und die beiden anderen Söhne deutlich bevorzugte. War jetzt etwa der Zeitpunkt gekommen, an dem der fromme Ludwig, erhaben über jeden Verdacht, eines der zehn Gebote zu brechen, der ganzen Welt sein wahres Gesicht zeigen würde? Aufgeregt lauschte Gerswind weiter.
    »Still, Weib! Du hast vor Gott gelobt, mir zu gehorchen!«
    »Und du, mir die Treue zu halten«, kam Irmingards Antwort. »Du betrügst deine Söhne Lothar und Pippin so wie alle, die ich dir noch schenken werde, um ihr Recht. Das kann ich nicht zulassen! Es war ein Fehler, daß ich dieses Spiel überhaupt je mitgespielt habe!«
    »Na, du hast doch zugestimmt, weil du die Mutter des ersten Thronerben sein wolltest und dachtest, mir selbst keine Kinder gebären zu können!«
    »So wurde es mir vorhergesagt, aber die Wahrsagerin hat sich geirrt«, erklang Irmingards kleinlaute Stimme.
    »Gott läßt nicht zu, daß man sich ungestraft verbotener Kunst bedient«, Ludwigs Worte klangen gestelzt. »Tue also Buße und behandele Arnulf und Alpais weiter wie deine eigenen Kinder.«
    »Nein! Ich gehe zum König und sage es ihm, heute noch!«
    Ludwigs Tonlage wurde jetzt gefährlich leise, so daß sich Gerswind sehr anstrengen mußte, seine Worte zu verstehen: »Gut, meine Liebe. Dann ist dies der Vorgeschmack auf die Strafe, die dich dafür erwartet.«
    Irmingard schrie nur einmal kurz auf. Gerswind konnte sich sehr gut vorstellen, wie Ludwig das Wehklagen der Frau unterdrückte, auf die er jetzt offenbar heftig einschlug.
    Sie riß die Tür auf.
    »Ich werde es dem König sagen!« rief sie, wirbelte herum und rannte die Treppe hinunter. Schwer atmend erreichte sie noch vor Ludwig die Halle, doch der war ihr auf den Fersen und packte sie am Arm.
    »Ludwig hat uns alle getäuscht!« stieß Gerswind laut hervor und sicherte sich damit die Aufmerksamkeit der Spielenden. Noch ehe sie ein weiteres Wort sagen konnte, hielt ihr Ludwig den Mund zu.
    »Sie lügt!« brüllte er.
    »Laß sie los!« befahl König Karl mit blitzenden Augen. Widerwillig gehorchte Ludwig.
    »Was fällt dir ein, etwas derart Ungeheuerliches über meinen Sohn zu behaupten?« fragte Karl und forderte Gerswind auf, näher zu treten.
    Sie berichtete, was sie erlauscht hatte. Ludwig versuchte immer wieder, sie zu unterbrechen, doch sie sprach unbeirrt weiter.
    Mit ernster Miene hörte der König Gerswind zu.
    »Sagt sie die Wahrheit?« fragte er schließlich seinen jüngsten Sohn und musterte ihn mit so kaltem Blick, daß Ludwig der Widerspruch im Halse steckenblieb und er nur wortlos nickte.
    Karl stand auf und trat ganz nah an seinen Sohn heran.
    »Das wirst du nie wieder tun!« herrschte er ihn an. »Du wirst nie wieder deine Gemahlin schlagen, verstanden?« Und damit versetzte er Ludwig eine solche Backpfeife, daß der König von Aquitanien ein paar Schritte rückwärts taumelte, gegen einen Tisch stieß und der Länge nach zu Boden stürzte.
    Karl wandte sich zu den anderen Anwesenden und brach in schallendes Gelächter aus.
    »Wie beruhigend, daß mein frommer Sohn doch kein Heiliger ist, sondern ein ebenso normaler Sterblicher, wie wir alle es sind!« rief er. »Feiert weiter, meine Kinder, feiert ein Fest der Liebe! Du, mein lieber Alkuin, legst dich aus Gründen deines

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