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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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sogar die gleiche Nase haben?«
    Einhard erschrak. »Bei Nasen gibt es eben nicht so viele Variationen. Ansonsten sehe ich überhaupt keine Ähnlichkeit. Sicher, Hruodhaid ist gottesfürchtig, lieb und klüger, als manche denken, aber Emma …«
    »Emma ist Emma«, sagte Gerswind belustigt. Sieh an, unser Lehrer ist den Reizen der Weiblichkeit gar nicht so abhold! Aber ausgerechnet Emma! Die kann ihm doch auf den Kopf spucken!
    Als der Hofstaat nach Aachen zurückkehrte, wartete bereits eine Delegation aus Byzanz auf den König. Das Schreiben von Kaiserin Irene enthielt dieses Mal sogar das Wort Liebe. Ihre Lage mußte tatsächlich ziemlich verzweifelt sein. Selbst schuld, dachte der König ungerührt, wollte sich Irene aber durch ein kleines Zeichen des Entgegenkommens gewogen halten. Er gab also Anweisung, den Bruder des Patriarchen von Konstantinopel aus der Gefangenschaft zu entlassen, der zehn Jahre zuvor bei dem Angriff auf Benevent inhaftiert worden war. Damit war Karl einen unbequemen Gefangenen los und vergab sich gar nichts.
    »Die Frau will mich immer noch heiraten!« sagte er voller Entsetzen zu Einhard.
    »Halte sie weiter hin«, riet auch der Schreiber. »Irene ist ohnehin zu alt, um dir Kinder zu gebären, da kommt es jetzt auf ein Jahr mehr oder weniger nicht an. Unsere Astronomen vermelden übrigens eine erfreuliche Nachricht: Der Planet Mars ist seit dem vergangenen Juli nirgendwo am Firmament gesichtet worden.«
    »Dann dürfen wir also endlich friedlichen Zeiten entgegensehen«, meinte der König erfreut. Gott hatte die Sterne als Wegweiser für die Menschen ans Firmament gesetzt und einigen Auserwählten Begabung und Mittel verliehen, ihre Bahnen zu lesen. Karl hoffte, daß seine Astronomen gut hingesehen und die Botschaft richtig gedeutet hatten. Er war kriegsmüde und begrüßte es, wenn ihm das Schicksal zur Abwechslung einmal einen längeren Aufenthalt in seinem Aachen vergönnte.
    Das persönliche Schicksal Einhards bestimmte der König im folgenden Winter selbst. Er forderte seinen Schreiber an einem kühlen Morgen mit strenger Miene auf, in seine Beratungskammer zu kommen, natürlich wissend, daß ›die Ameise‹ darüber höchst beunruhigt sein mußte.
    Tatsächlich überlegte Einhard besorgt, ob Karl möglicherweise wieder irgendwelche Beschwerden über den Bau an der Pfalzkapelle zu Ohren gekommen waren. Leider war sie immer noch nicht so fertiggestellt, wie sich das beide wünschten.
    »Setz dich«, forderte der König seinen Schreiber auf, und dann sprach er, entgegen seiner Art, sofort zum Wesentlichen zu kommen, ausführlich über das Wetter.
    »… und als es heute nacht schließlich aufhörte zu schneien, beschloß ich, mich im neugefallenen Schnee ein wenig zu ergehen, in der Hoffnung, die Kälte würde die mich immer wieder quälende Schlaflosigkeit vertreiben«, plauderte der König und fuhr fort: »Du kannst dir meine Überraschung vorstellen, als ich begriff, daß ich mich nicht als einziger nächtens umhertrieb.«
    Einhard durchfuhr es heiß und kalt.
    »Wenig später erschienen ein recht stattlich gewachsenes Mädchen und ein sehr kleiner Mann an der Tür des Mädchenheims. Sie blickten entsetzt auf den frischen Schnee im Hof. Offensichtlich hatten sie zuvor nicht bedacht, daß es schneien könnte. Jetzt würden Abdrücke im Schnee keinen Zweifel daran lassen, daß kleine männliche Füße mitten in der Nacht vom Haus der Mädchen zu dem der Gelehrten gewandert waren. Nun, mein lieber Bezaleel, was meinst du, wie die beiden das Problem gelöst haben?«
    Einhard schwieg und wartete auf das Beil, das gleich auf ihn niedersausen mußte.
    »Nun«, fuhr der König leutselig fort, »sie fanden eine höchst ergötzliche Lösung. Das Mädchen nahm den kleinen Mann Huckepack, trug ihn zu seinem Haus zurück und verbreitete danach im Hof so viele Spuren von Mädchenfüßen, daß es aussehen mußte, als hätten die Weiber nachts im Schnee einen Reigen aufgeführt.«
    Zum ersten Mal in seinem Leben hätte sich Einhard am liebsten noch kleiner gemacht, als er ohnehin schon war. Jetzt sah ihn der König streng an.
    »Ich verlange, daß du Emma heiratest!«
    Die Augen des Schreibers weiteten sich, und der Mund blieb ihm offenstehen, ohne daß ihm ein Laut entwich. Einhard faßte sich an die Brust, um sicherzugehen, daß sein kleines, aber doch mächtiges und für Emma pochendes Herz noch schlug.
    »Wäre sie meine Tochter, könnte ich dir natürlich unmöglich einen solchen Auftrag

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