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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Gedanken über den Ursprung des Reichtums um sie herum lösten sich auf. Auch die Sorge, nicht rechtzeitig bei Teles sein zu können, wich von ihr, denn sie bedachte, daß sie nach der Nachtruhe unter einem schützenden Dach am nächsten Tag schneller vorankommen würden, als wenn der Reisezug im Wald Rast gemacht hätte.
    Carolinos Nähe ließ sie fast schwindlig werden. Sie stand neben ihm, als zur Feier des Tages das beliebte Spiel des Schweinetötens ausgetragen wurde. Hierbei versuchten zwei Männer, mit verbundenen Augen in einem geschlossenen Kreis ein Schwein mit Knüppeln zu erschlagen. Große Heiterkeit entfachten Schläge, die danebengingen oder gar einen Mitstreiter an empfindlichen Stellen trafen. Ein Raunen ging durch die Menge, als einer der Männer nach einem kräftigen Hieb des anderen zu Boden fiel und kurz darauf das ganze Gewicht des Schweins auf sich spüren mußte. Er gab keinen Laut von sich, Gerswind vermutete, daß ihm der Schlag den Atem geraubt hatte. Im Gegensatz zu den meisten Anwesenden wünschte sie ein schnelles Ende dieses Spiels herbei, denn ihren Ohren schmerzte des Ebers schrilles Quieken und wütendes Grunzen, das das Gejohle von Knechten, Mägden und Kindern noch verstärkte.
    Sie saß neben Carolino, als der Hausherr beim Schweinebraten über die hohen Kosten klagte, die er für seine Kriegsausrüstung aufzubringen hatte. Er ließ sich von Karls führendem Panzerreiter das Kettengeflecht zeigen, das an dessen Helm hing und die altmodische lederne Wangenklappe und den Nackenschirm ersetzte, und er schlug die Hände zusammen, als er vernahm, wieviel er für den neuartigen Beinschutz würde ausgeben müssen.
    Carolino versicherte, daß eine solche Anschaffung unerläßlich sei. »Als Reiter ist dein rechtes Bein gänzlich ungeschützt«, sagte er, und Gerswind spürte, wie sich sein rechtes Bein dabei an ihr linkes drückte, »… und das linke läßt sich nur schwer mit deinem runden Schild abdecken.«
    Das junge Paar, dessen Verlobung gefeiert wurde, saß sittsam nebeneinander und strahlte sich an. Unwillkürlich mußte Gerswind an die Gelage am Königshof denken, wo Liebespaare die Hände nicht voneinander lassen konnten und dabei auch manches Kleidungsstück mehr als nur verrutschte.
    Als Riculf bedauerte, daß er leider keinen Sohn mehr habe, der für den König in die Schlacht ziehen könne, warf Gerswind den Hunden, die sich unter dem Tisch balgten, einen abgenagten Schweineknochen zu und stand auf.
    Die Tochter des Hausherrn erhob sich mit ihr und zeigte ihr stolz die kleine Kammer, in der sie selbst schlief und in der Gerswind diese Nacht mit ihr das Bett teilen sollte.
    »Natürlich nur, falls der schöne Prinz nicht Eure Wärme sucht«, setzte das Mädchen mit einem Seitenblick hinzu.
    Gerswind erschrak. Wenn ihr Geheimnis nicht einmal dieser Fremden verborgen blieb, würde es am Hof gewiß schnell die Runde machen. Was schert mich das, dachte sie trotzig, obwohl es sie bei dem Gedanken an die Reaktion des Königs plötzlich eiskalt durchfuhr.
    »Das war ein Scherz!« lachte die junge Frau. »Weil er doch nur Augen für Euch hat! Ihr seid hoffentlich nicht zu nahe verwandt?«
    Sie müsse sich erleichtern, murmelte Gerswind statt einer Antwort und floh aus dem Zimmer. Am Wohnturm des Hauses suchte sie vergeblich nach einem Erker wie jenem, der in der Königsvilla als Abort diente. Das Mädchen, das ihr nachgegangen war, entschuldigte sich für die unhöfliche Bemerkung und teilte Gerswind auf ihre Frage mit, daß sie ihre Notdurft hinter einem Heustapel über einer Grube nahe dem Misthaufen verrichten könne. Gerswind ging also der Nase nach, schürzte an der angegebenen Stelle den Rock, froh, daß ihr eine kleine Fackel zeigte, wo sie die Füße lieber nicht hinsetzen sollte. Aber noch etwas anderes kam ans Licht. Entsetzt stellte Gerswind fest, daß ihre Monatsblutung eingesetzt hatte. Ausgerechnet jetzt! Wie soll ich da reiten? Sie überlegte, ob sie einen Streifen von ihrem Unterkleid abreißen sollte, aber dann fiel ihr ein, daß sie bei ihrem Gang über den Hof einen schwachen Lichtschein aus der offenen Tür des strohbedeckten kleinen Grubenhauses nahe dem Misthaufen wahrgenommen hatte. Sie hatte sich schon darüber gewundert, daß sich arme Leute eine Abendbeleuchtung leisteten. Vielleicht konnte sie sich dort von einer Bewohnerin ein Stück Stoff erbitten.
    Sie erschrak über die vielen Menschen, die sich in der kleinen Hütte eingefunden hatten und schweigend

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