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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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ihn, der ihren Traum so ernst genommen hatte, daß er sogar seinen Lieblingssohn und eine Scara bereitgestellt hatte, die sie nach Aachen begleiteten. Welch eine Enttäuschung würde sie für ihn sein! Sie erschrak vor den Gedanken, die sich in ihrem Kopf überschlugen.
    »Denk darüber nach«, bat der junge Karl. »Du mußt mir nicht sofort Antwort geben. Aber wenn du mich willst, werde ich am Ende unserer Reise meinen Vater davon in Kenntnis setzen.« Und damit sprengte er davon und galoppierte an die Spitze des Zuges.
    In Kenntnis setzen! Wohl eher um Erlaubnis fragen! Er wird empört sein und mir die Schuld geben, der große Karl!
    Gerswind schüttelte verzagt den Kopf. Was ist nur mit mir los? Außer mir vor Freude sollte ich sein, schalt sie sich, und nicht solch düsteren Gedanken nachhängen. Konnte es denn ein schöneres Ende für ihre Kindheitsträume geben, als die Gemahlin Carolinos zu werden? War das nicht stets ihr heimliches Sehnen gewesen? Woran sie kaum zu denken gewagt hatte, weil es so aussichtslos erschienen war?
    »Sei vorsichtig mit deinen Wünschen«, hatte ihr Teles einmal geraten, »sie könnten in Erfüllung gehen.« Damals hatte sie über diese Bemerkung gelacht, heute aber beschlich sie eine Ahnung, was er damit gemeint haben könnte. Wäre sie öffentlich mit Carolino verbunden, würde sie das vom Rand des Hofgeschehens in den Mittelpunkt schleudern, und sie wußte, daß sie sich dort nicht wohl fühlte. Sie gestand sich ein, daß der Gedanke an eine heimliche Liebe, ja sogar die vermeintliche Hoffnungslosigkeit sehr viel unbeschwerter gewesen waren. Was passiert mit Träumen, die in Erfüllung gehen? Was füllt die Leere, die sie dann hinterlassen? Froh, daß Carolino jetzt nicht neben ihr ritt, hing sie ihren Gedanken weiter nach und versuchte sie zu ordnen: Was ist das für eine Liebe, wenn ich darüber erschrecke, daß mich der Geliebte heiraten möchte? Liebe ich Carolino wirklich? Ich verehre ihn nun schon so lange, daß es mir zur zweiten Natur geworden ist, vielleicht gar zur Gewohnheit … Lautes Rauschen schreckte sie auf, doch ehe sie dessen Ursprung ergründen konnte, traf sie etwas so hart am Kopf, daß sie vom Pferd fiel und das Bewußtsein verlor.
    Als sie wenig später wieder zu sich kam, blickte sie in Carolinos besorgte Augen.
    »Was ist geschehen?« fragte sie und richtete sich mühsam auf. Carolino half ihr, und es war überhaupt nicht unangenehm. Nachdem sie ihm versichert hatte, daß keine Knochen gebrochen waren, erklärte er ihr, daß sie von einem Bussard angegriffen worden war.
    »Wahrscheinlich weil dein Haar so hell leuchtete«, meinte er, doch der Führer erklärte, daß in dieser Gegend Mäusebussarde auch schon anderen Reisenden einen Schrecken eingejagt hätten. »Jetzt, zur Brutzeit, greifen sie jeden an, in dem sie eine Bedrohung für ihre Jungen sehen. Mich hat hier auch schon einer erwischt, der lautlos von hinten kam. Wenn man das Rauschen hört, ist es schon zu spät, um auszuweichen.«
    Carolino blickte wütend zum Himmel. »Ich habe versucht, ihn herunterzuschießen, aber er ist leider davongekommen.« Und damit half er Gerswind wieder aufs Pferd.
    Früher hätte mich kein Bussard angegriffen, dachte sie benommen, als sich der Zug wieder fortbewegte. Kein Tier des Waldes hätte mich als Bedrohung angesehen. Der Wald hätte mich geschützt. Weshalb hatte der Vogel ausgerechnet sie, die in der Mitte des Zuges ritt, ausgesucht? Sie war froh, daß Carolino den Bussard nicht getroffen hatte, denn dann wären die Jungen des Tieres qualvoll verendet. Wenigstens diese Schuld hatte sie nicht auf sich geladen. Schuld? Worin liegt meine Schuld? Doch nicht etwa darin, daß ich durch den Wald reite, ohne mir vorher seine Erlaubnis eingeholt zu haben?
    Gerswind war froh, als am frühen Abend das Gebäude des Benediktinerinnenklosters Denain vor ihnen auftauchte, denn sie hatte das dringende Bedürfnis, an einem von der Welt abgeschiedenen Ort zu beten. Sie brauchte jetzt Führung. Wieder wurde ihr schmerzlich bewußt, wie sehr ihr Teles fehlte, der Mensch, der sie am meisten geprägt hatte und ohne dessen Rat sie künftig würde weiterleben müssen. Im Augenblick aber wollte sie mit niemandem reden, denn sie brauchte Ruhe, um das Durcheinander in Herz und Hirn zu ordnen. Nichts erschien ihr dafür geeigneter als ein Benediktinerinnenkloster, denn Hruodhaid hatte ihr erzählt, daß nirgendwo auf der Welt strengere Schweigeregeln herrschten.
    Die Nonne, die

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