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Die Beutefrau

Die Beutefrau

Titel: Die Beutefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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heidnischen Gottheiten nur Spielarten des einen wahrhaftigen Gottes sind, der sich eben auf vielfache Weise manifestiert. Hat man das den Heiden erst verdeutlicht, sind sie schon keine mehr und bedürfen nur noch der Taufe. So einfach ist das! Dafür muß man nicht mit Feuer und Schwert durchs Land ziehen, entschuldige, Karl, aber ihr Männer seid manchmal etwas grob in der Wahl eurer Mittel. Frauen spielen andere Instrumente …« Sie liebkoste den Aulos, als sie Luft holte, um fortzufahren: »Die Römer spielten dieses Instrument zum Beispiel zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten, während der Schlacht, bei der Speisenzubereitung, bei festlichen Anlässen, und im Theater begleitete es den Chor …«
    »Vesper!« versuchte Gerswind sie noch einmal, so laut sie konnte, an den bevorstehenden Gottesdienst zu erinnern.
    »Wespen? Um diese Jahreszeit? Wenn du eine gesehen hast, Gislind, wird sie wohl im Gebälk überwintert haben und ist müde und schwach. Im August wimmelt es hier allerdings von Wespen, was ja kein Wunder ist, da wir einen Obstgarten angelegt haben, der seinesgleichen sucht, und wartet erst, bis ihr unseren Kräutergarten gesehen …«
    Sie blickte zur Tür, in der eine junge Nonne erschienen war, die ihr Zeichen machte.
    »Ja, ja, der Gong ist erklungen, wir kommen sofort. Wir sind ja nicht taub. Komm, Gislind, wir können unser Gespräch beim Abendessen fortsetzen und später hier noch ein wenig Wein trinken und weiterplaudern.«
    Daraus wurde nichts, da Gerswind der Äbtissin nach dem Komplet durch Zeichen zu verstehen gab, daß sie sich für die Zeit ihres Aufenthalts im Kloster dem Schweigegelübde der Nonnen angeschlossen habe und auch nicht im Haus der Äbtissin, sondern im Dormitorium bei den Schwestern schlafen wolle.
    Die Äbtissin verbarg ihre Enttäuschung, strahlte Carolino an, dem sie vorschlug, seinen Becher mit in ihre Kammer zu nehmen, und lobte Gerswinds Frömmigkeit. Eine Nonne führte Gerswind ins Dormitorium, wo sie sich auf eine Binsenmatte legte und sich mit einem groben, aber sehr sauberen Bettuch zudeckte. Erstaunt stellte sie fest, daß jede Nonne ein Bett für sich allein hatte und daß sie nicht wie alle anderen Menschen nackt schliefen, sondern ihre Kleidung anbehielten.
    Ihr war ein wenig schwindlig, als sie sich in ihrem Unterkleid niederlegte, und in ihrem Kopf wollte sich trotz aller vorherigen Gebete und der Stille, die sie jetzt umgab, kein klarer Gedanke fassen lassen. Anstatt Carolino wie sonst auch in ihr Nachtgebet einzuschließen, überlegte sie, ob sie ihn abweisen sollte. Ob sie das wirklich wollte. Sie liebte ihn doch! Was sie wirklich wollte und wie es mit ihr an Karls Hof weitergehen sollte. Verzweifelt gab sie irgendwann das Grübeln auf. Kurz vor dem Einschlafen überlegte sie, ob sie sich beim Wein und bei den köstlichen kleinen in Met getränkten Kuchen, die zum Abendessen gereicht worden waren, nicht etwas mehr hätte zurückhalten sollen.
    Doch sie erwachte am nächsten Morgen erfrischt und ohne Kopfschmerzen. Daß sie kurz nach dem Aufbruch dennoch ein heftiges Schwindelgefühl erfaßte, lag nicht an den Genüssen des Vorabends, sondern an Carolinos frühmorgendlicher Wiederholung seines Heiratsantrages. Erst während der Mittagsrast fühlte sie sich stark genug, ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben.
    »Nur wenn uns dein Vater seinen Segen gibt, werde ich mit Freuden die deine.«
    Sie fragte sich, wie gut der Karlssohn seinen Vater wirklich kannte, als Carolino freudig erklärte: »Es wird ihn beglücken, dich als Teil der Familie in seine Arme schließen zu können. Er liebt dich!«
    »Ich weiß«, erwiderte Gerswind leise und schloß die Augen, als Carolino sie zum ersten Mal küßte. Es war der Augenblick, auf den sie so lange hingelebt hatte; doch sie staunte, daß ihre Knie immer noch die Aufforderung beherzigten, die sie ihnen zu Beginn der Reise gegeben hatte. Sie wurden nicht weich, gaben nicht nach und machten sich auch sonst nicht bemerkbar. Noch mehr aber staunte sie darüber, daß ihr Herz, das früher schon bei einem Blick Carolinos Purzelbäume geschlagen hatte, bei dieser innigen Berührung nicht viel schneller als sonst zu klopfen schien. Am meisten aber staunte sie, als sie die Augen öffnete und in die Carolinos blickte. Sie sahen fremd aus, leuchteten nicht so blau wie in ihrer Erinnerung und spiegelten ein anderes Bild von ihr wider, als sie früher dort zu sehen vermeint hatte.
    Auch in der folgenden Nacht konnte der

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