Die Bibel nach Biff
das wäre es. Du kannst nicht alle retten.«
»Hast du die letzten zwanzig Jahre verschlafen?«
»Und du? Wenn du die Vergangenheit nicht ändern kannst, vergeudest du die Gegenwart mit deinen Schuldgefühlen. Wenn du nicht nutzt, was du im Osten gelernt hast, dann hätten wir vielleicht gar nicht gehen sollen. Vielleicht war es tatsächlich feige, Israel zu verlassen.«
Ich spürte, wie mein Gesicht ganz taub wurde, als wäre alles Blut herausgelaufen. Hatte ich das gesagt? So gingen wir also eine Weile schweigend, sahen einander nicht an. Ich zählte Vögel, lauschte den murmelnden Stimmen der Apostel, beobachtete, wie sich Maggies Hintern im Gehen unter dem Kleid bewegte und freute mich nicht recht an ihrer Anmut.
»Also, ich für meinen Teil fühle mich besser«, sagte Josua schließlich. »Danke, dass du mich aufgeheitert hast.«
»Gern geschehen«, sagte ich.
Am Morgen des fünften Tages nach unserer Abreise in Kaper- naum trafen wir in Betanien ein. Petrus und die anderen hatten die frohe Botschaft den Menschen am Ufer Galiläas gepredigt, und eine wohl fünfhundertköpfige Menschenmenge erwartete uns. Die Spannung zwischen Josua und mir war verflogen und der Rest der Reise angenehm verlaufen, wenn auch nur, weil wir Maggies Lachen hörten, wenn sie uns neckte. Zwar war ich erneut eifersüchtig auf Josua, aber irgendwie nicht mehr so verbittert. Es war eher die altbekannte Trauer um einen großen Verlust, nicht dieser zerfleischende Herzschmerz wie eine Klinge in der Brust. Ich konnte sogar ertragen, wenn die beiden allein waren, mit anderen Menschen sprachen ... an anderes dachten. Maggie liebte Josua, das war klar, aber sie liebte auch mich, und es gab keine Möglichkeit herauszufinden, worin sich diese Liebe manifestierte. Indem wir Josua folgten, hatten wir längst von unseren Erwartungen an eine normale Existenz Abschied genommen. Ehe, Heim, Familie: Nichts davon war Teil des Lebens, das wir gewählt hatten. Das machte Josua sämtlichen Aposteln deutlich. Ja, einige von ihnen waren verheiratet, und manche predigten sogar mit ihren Frauen an der Seite, doch eines unterschied sie von den vielen Menschen, die Josua folgen sollten, nämlich der Umstand, dass sie von ihrem eigenen Lebensweg abgewichen waren, um das Wort Gottes zu verbreiten. An dieses Wort hatte ich Maggie verloren, nicht an Josua.
So erschöpft er auch sein mochte, so hungrig ... Josua predigte ihnen. Sie hatten auf uns gewartet, und er wollte sie nicht enttäuschen. Er kletterte in eines von Petrus' Booten, ruderte gerade so weit vom Ufer, dass die Menge ihn sehen konnte, und predigte zwei Stunden lang das Reich Gottes.
Als er fertig war und die Menge fortgeschickt hatte, warteten unter den Aposteln zwei neue Gesichter. Beide waren sie stämmige, kräftig wirkende Männer von Mitte zwanzig. Einer war glatt rasiert und trug sein Haar kurz wie einen Helm aus Löckchen. Der andere hatte langes Haar, und sein Bart war geflochten und gelockt, wie ich es bei manchen Griechen schon gesehen hatte. Auch wenn sie keinen Schmuck trugen und ihre Kleider nicht ansehnlicher als die meinen waren, sprach doch Reichtum aus dem Auftreten der beiden. Es mochte auch Macht sein, doch wenn es das war, dann nicht die eitle Macht der Pharisäer. Wenn die beiden irgendetwas auszeichnete, dann ihre Selbstsicherheit.
Der eine mit dem langen Haar trat vor Josua hin und kniete nieder. »Rabbi, wir haben Euch über das kommende Königreich sprechen hören, und wir möchten uns Euch anschließen. Wir wollen helfen, das Wort Gottes zu verbreiten.«
Josua sah den Mann lange an, lächelte in sich hinein, bevor er etwas sagte. Er nahm den Mann bei den Schultern und ließ ihn aufstehen. »Erhebe dich. Ihr seid willkommen, Freunde.«
Der Fremde schien verblüfft. Er sah seinen Freund an, dann mich, als wüsste ich eine Antwort auf sein Staunen. »Das ist Simon«, sagte er und nickte zu seinem Freund. »Mein Name ist Judas Ischariot.«
»Ich weiß, wer du bist«, sagte Josua. »Ich habe dich erwartet.«
Und so wurden wir fünfzehn: Josua, Maggie und ich; Bartholomäus, der Zyniker; Petrus und Andreas, Johannes und Jakobus, die Fischer; Matthäus, der Zöllner; Nathanael aus Kana, der kleine Schwachkopf; Philippus und Thaddäus, die Jünger von Johannes dem Täufer gewesen waren; Thomas, der Zwilling, der nicht bei Sinnen war; und die Zeloten: Simon Kananäus und Judas Ischariot. Fünfzehn zogen aus nach Galiläa, um den Heiligen Geist zu predigen, das nahe Reich
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