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Die Bibel Verstehen

Die Bibel Verstehen

Titel: Die Bibel Verstehen
Autoren: Anselm Gruen
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Verfälschung und Verunreinigung des J
HWH
-Glaubens. Er wird vom König verfolgt und muss mit ansehen, wie sein Wirken ohne Erfolg bleibt. Er ist verzweifelt und wird an Gott beinahe irre. Doch in all seiner persönlichen Not wendet er sich immer wieder an Gott: «Du hast mich betört, Herr, und ich ließ mich betören» (Jer 20,7).
    Durch alle Verzweiflung hindurch ringt er sich immer wieder hindurch zu neuem Vertrauen. Auchwenn alle Menschen ihn fallen lassen, wenn er an seiner Einsamkeit leidet, so weiß er doch, dass Gott ihm beisteht. 586 wird er von den nach Ägypten fliehenden Juden gezwungen, mit in die Fremde zu gehen. In Ägypten stirbt er.
    Berühmt ist das Gleichnis vom Töpfer (Jer 18). Das Volk Israel ist wie Ton in der Hand des göttlichen Töpfers. Gott formt sein Volk, wenn es seinen Willen erfüllt. Aber er reißt es nieder, wenn es sich von ihm abwendet. Gott ist nicht nur Töpfer, sondern auch Hirte. Während die Könige als Hirten des Volkes versagt und die Herde zugrunde gerichtet haben, wird Gott sie auf die Weide führen. Dort werden sie weiden. «Ich werde sie Hirten anvertrauen, die sie wirklich weiden, so dass sie nichts mehr zu fürchten und vor nichts mehr zu erschrecken brauchen und nicht mehr verloren gehen – Spruch des Herrn» (Jer 23,4). In Jesus wird diese Verheißung erfüllt. Jesus ist der gute Hirte. Er führt seine Herde auf eine fruchtbare Weide und nährt sie. Niemand kann die Schafe der Hand des guten Hirten entreißen (vgl. Joh 10,29).
    Bei all dem Unheil, das der Prophet den verstockten Königen und dem blinden Volk androhen muss, darf er in Kapitel 31 zu einem wunderbaren Trostlied anheben. Dort verheißt er dem Volk, dass Gott es mit ewiger Liebe geliebt hat und es deshalb wieder auf baut. Gott verwandelt die Trauer des Volkes in Jubel. Es gibt kein Scheitern, das nicht zum Beginn neuen Lebens und neuer Liebe werden kann.Gott schließt einen neuen Bund mit dem Volk, das sich von ihm abgewandt hatte. Er legt sein Gesetz in ihr Herz hinein. Dieser neue Bund, den Jeremia uns verheißt, wird in Jesus Wirklichkeit.
    Als Jesus vor seinem Leiden den Jüngern den Kelch mit Wein reicht, deutet er diesen Ritus: «Dieser Becher ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird» (Lk 22,20). Jesus hat uns den Geist seiner Liebe ins Herz gesandt, so dass wir von innen her fähig werden, das Gebot des Herrn zu erfüllen. Durch seine Liebe hat Jesus Christus unser Herz erneuert. Mit einem neuen Herzen sind wir fähig, den neuen Bund zu halten, in dem Gott selbst sich an uns für immer gebunden hat.
    Auf das Buch Jeremia folgen in der Bibel die Klagelieder, die in der Tradition dem Propheten Jeremia zugeschrieben werden. Auch wenn die heutige Exegese die Klagelieder anderen Verfassern zuschreibt, singen wir während der Trauermetten in der Karwoche diese Klagelieder vor. Dann sind sie nicht mehr nur Klagelieder über den Zustand Jerusalems nach der Katastrophe im Jahre 586 vor Christus, nach der Zerstörung der Stadt und des Tempels. Vielmehr besingen die Lieder in eindrücklichen Bildern unsere eigene Trauer angesichts einer Welt, die Jesus von Nazaret gekreuzigt hat. Doch indem wir diese Texte meditieren, versetzen wir uns nicht in die Zeit Jesu. Vielmehr lädt uns die Passion Jesu ein, uns der Trauer über den Zustand unserer eigenen Seele und über den Zustand unserer Weltzu überlassen und sie auszudrücken. Indem wir unsere Verlassenheit und unser Zurückbleiben hinter unseren Idealen betrauern, öffnen wir unsere Seele für das, was Christus uns geschenkt hat: die Erfahrung unseres wahren Selbst, die Erfahrung, dass wir Söhne und Töchter Gottes sind, einmalig und einzigartig. Die Trauer über unsere Durchschnittlichkeit ermöglicht uns, unsere eigentliche Würde zu entdecken.
    Das Buch Baruch, das auf die Klagelieder folgt, wird von der Tradition dem Sekretär des Propheten Jeremia zugeschrieben. In diesem Buch bekennt das Volk seine Schuld und bittet um Vergebung. Das Volk klagt – ähnlich wie in den Klageliedern –, aber es bleibt nicht in der Klage stecken, sondern drückt seine Hoffnung aus, dass Gott alles Unheil wenden wird. So will uns dieses Buch einladen, unserer Trauer und unserer Klage Ausdruck zu geben, aber nicht in der Klage stecken zu bleiben. Das Ziel der Klage ist vielmehr die Hoffnung. So ruft uns Baruch auf: «Hab Vertrauen, er, der dir deinen Namen gab, wird dich trösten» (Bar 4,30). In Zeiten der Trauer kann dieses Buch für uns heute zum
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