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Die Bibel Verstehen

Die Bibel Verstehen

Titel: Die Bibel Verstehen
Autoren: Anselm Gruen
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auf die Vergebung, die wir von Gott erfahren haben (Mt 18,21–35).
    Berühmt ist auch das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Gottes Gnade ist größer als unser kleinliches Berechnen (Mt 20,1–16).
    Gute und Böse sind zum Hochzeitsmahl des himmlischen Reiches eingeladen. Doch wer kein Gespür hat für das Geschenk des Mahles, wer das vom Gastgeber angebotene Hochzeitsgewand verschmäht, der schließt sich selbst vom Leben aus (Mt 22,1–14).
    Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Mt 25,1–13) mahnt uns, wachsam zu sein. Nicht Gott ist es, der uns die Türe verschließt, sondern wir stehen vor verschlossenen Türen, wenn wir nicht in Beziehung zu uns und unserem Herzen leben.
    Die Gleichnisse sind ähnlich zu deuten wie unsere Träume. Da kennen wir das Motiv, dass wir zu spät kommen, dass uns die Türe vor der Nase zugeschlagen wird. Es sind Mahnträume, die uns einladen, wachsam zu sein. Auch die Gleichnisse Jesu wollen uns die Augen öffnen, bewusst und achtsam zu leben.
    Was im Matthäusevangelium auffällt, ist die Schärfe, mit der Jesus die Pharisäer kritisiert (Mt 23,1–32). Die Exegeten sagen uns, dass diese Schärfe wohl dem irdischen Jesus fern lag. Jesus hatte durchaus Freunde bei den Pharisäern. Und in manchen Lehren lag er gar nicht fern von ihnen. Doch Matthäus stellt die Worte Jesu in die Situation nachdem Jüdischen Krieg. Da haben die Pharisäer das jüdische Leben alleine bestimmt und alle aus der Synagoge ausgeschlossen, die dem Weg Jesu folgten. Doch die scharfen Worte Jesu sind nicht einfach nur geschichtlich bedingt. Sie gelten heute genauso wie damals der Gefahr des geistlichen Missbrauchs.
    Jesus weiß, dass gerade auch die Religion verfälscht werden kann in eine reine Gesetzesreligion, in kleinliches Reglementieren aller Daseinsvollzüge. Und man kann mit dem Verweis auf das absolute Gebot Gottes Angst bei den Menschen auslösen und sie durch die Angst in Abhängigkeit treiben. Die Religion wird dann missbraucht im Dienst eigener Machtinteressen. Jesu Worte gelten heute allen Priestern und Seelsorgern und Seelsorgerinnen, damit sie nicht der Gefahr geistlichen Missbrauches erliegen. Die Spiritualität, die im Matthäusevangelium sichtbar wird, atmet Nüchternheit, Klarheit und Behutsamkeit.
    Einzigartig ist die Gerichtsrede, die Jesus bei Matthäus hält. Da beurteilt der König unser Verhalten beim Weltgericht daran, wie wir uns unseren Mitmenschen gegenüber verhalten haben. Da geht es nicht um religiöse Übungen oder fromme Rituale, sondern ganz konkret, ob wir den Hungrigen gespeist, den Nackten bekleidet, den Obdachlosen aufgenommen und den Gefangenen besucht haben. «Was immer ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan» (Mt 25,40). Dieser Text hat die Philosophen seit jeherbegeistert. Da wird Spiritualität auf ganz weltliche Weise vermittelt. Unsere Beziehung zu Christus drückt sich aus in unserer Beziehung zum Mitmenschen.
    Matthäus schildert uns Jesus als den barmherzigen und gütigen König. Jesus ist das Urbild des gewaltlosen und sanften Helfers. Und er ist der Lehrer, der vom Machtverzicht spricht, von Versöhnung und «von einem Erdulden, das die Verheißung des Sieges in sich trägt» (Walter Grundmann) . Jesus braucht keine irdischen Machtmittel, weil er unter dem Schutz des Vaters steht.
    Der Vater schützt ihn auch in seiner Passion. Gottes stille Macht erweist sich auch in der Passion stärker als die Gewalt der Menschen. Jesus wird in die Hände ruchloser Menschen ausgeliefert. Er wird ans Kreuz geschlagen und stirbt mit einem Schrei. Aber er wird von Gott nicht im Stich gelassen. Gott weckt ihn auf und gibt ihm alle Macht. Die Versuche der Soldaten, sein Grab zu sichern, scheitern.
    Dem Auferstandenen übergibt Gott alle Macht: «Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde» (Mt 28,18). In dieser Vollmacht sendet der Auferstandene seine Jünger in die ganze Welt, um alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen. Jesus, der am Ende der Welt als Sieger und Herrscher wiederkommen wird, entlässt uns alle in den Alltag mit dem tröstlichen Wort: «Seht, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt» (Mt 28,20).
    Beim Meditieren des Matthäusevangeliums sind mir zwei Dinge wichtig: Wir begegnen im Matthäusevangelium nicht nur Jesus, dem barmherzigen Heiland, sondern auch dem Lehrer der Weisheit, der die Weisheit von Ost und West (die Anbetung Jesu durch die Magier), von Nord und Süd (Jesus als der neue
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