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Die Bibel Verstehen

Die Bibel Verstehen

Titel: Die Bibel Verstehen
Autoren: Anselm Gruen
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aufrichtet und sie auf die eigenen Füße stellt. Und er befiehlt, dass man ihr zu essen gibt, dass sie mit ihrer Vitalität in Berührung kommt. Die blutflüssige Frau zeigt, wie eine erwachsene Frau sich verhält, wenn sie von Kindheit an vom Vater übersehen worden ist. Sie wird alles hergeben, nur damit sie gesehen wird. Doch dabei geht es ihr immer schlechter. Erst als sie den Mut findet, den Zipfel vom Gewand Jesu zu nehmen, wird sie geheilt.
    In den Heilungsgeschichten des Markusevangeliums sind alle Worte wichtig. Markus beschreibt genau die einzelnen Schritte der Therapie, die Jesus bei den Kranken durchgeführt hat, so etwa bei der Heilung des Taubstummen (Mk 7,31–37), den er erst von der Menge wegnimmt, um sich dann in einer intensiven Zuwendung um seine Ohren und seine Zunge zu kümmern. Er schafft erst eine Atmosphäre des Vertrauens, damit der Mann es wagt, die Ohren zu öffnen und das zu sagen, was er nie auszusprechen wagte. In der Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10,46–52) fragt Jesus den Blindenund damit uns selbst, die wir oft die Augen vor der Wirklichkeit unseres Lebens verschließen: «Was willst du, dass ich dir tun soll?» (Mk 10,51). Wenn wir unsere Wunden Jesus hinhalten, wenn wir vertrauen und wenn wir wissen, was wir wollen, dann wird Jesus auch heute unsere Wunden heilen.
    Der Tod Jesu ist für Markus nicht Niederlage und Scheitern, sondern Sieg des Unterliegenden. Am Kreuz wird offenbar, dass Jesus wahrhaft der Sohn Gottes ist. So bezeugt es der römische Hauptmann. Man spricht bei Markus vom sogenannten Messiasgeheimnis. Während seines Lebens verbietet Jesus den Jüngern immer wieder, von den Heilungswundern zu sprechen oder ihn Messias zu nennen. Erst in der Passion und in der Auferstehung wird sichtbar, dass Jesus der wahre Messias ist. Am Kreuz hat er die Mächte der Finsternis besiegt. Wenn er mit einem lauten Schrei am Kreuz stirbt, so ist das ein Siegesschrei. Die Dämonen sind überwunden. Jetzt haben die Menschen freien Zugang zu Gott. Die Dämonen haben keine Macht mehr über den Menschen.
    Der Vorhang des Tempels zerreißt. Und jeder kann diesen Tempel Gottes betreten, ohne auf die Vermittlung der Priester angewiesen zu sein. Jesus ist der, der mit Vollmacht predigt und der göttliche Machttaten (griechisch dynameis ) vollbringt. Die größte Machttat ist der Sieg über die Dämonen am Kreuz. Dieser Sieg wird in der Auferstehung allen Menschen sichtbar.
    Markus lädt uns ein, den Weg Jesu immer wieder neu zu meditieren und uns mit Jesus auf den Weg zu machen, damit wir ihn immer mehr verstehen. Denn die Jünger verstehen Jesus nicht. Zwischen dem ersten Teil, in dem Jesus erfolgreich Kranke heilt und so predigt, dass die Menge zu ihm strömt, und dem dritten Teil, in dem sich Jesus in die Macht der Mächtigen begibt und die Macht der Finsternis von innen heraus mit seiner Liebe überwindet, hat Markus den Mittelteil gesetzt. Darin ist Jesus mit seinen Jüngern auf dem Weg und belehrt sie, dass sie seine Botschaft immer besser verstehen.
    Wir sind heute in der Situation der Jünger. Wir müssen uns immer wieder mit Jesus auf den Weg machen und auf ihn hören, damit wir das Geheimnis seines Lebens und Wirkens mehr und mehr verstehen. Es ist das Geheimnis, dass das Heil gerade in der Ohnmacht der Passion zu uns kommt, dass Jesus mit seiner Liebe die Macht der Mächtigen überwindet.
    Wenn wir uns mit Jesus auf den Weg machen, dann werden wir im Markusevangelium dem konkreten Jesus begegnen. Der historische Jesus ist uns im Markusevangelium am nächsten. Es ist ein Jesus, der manchmal sperrig ist, der nicht so leicht zu verstehen ist. Deshalb müssen wir das Evangelium immer wieder lesen und uns immer wieder von Jesus auf den Weg mitnehmen lassen, damit wir endlich wie Bartimäus die Augen öffnen und Jesus bewusst nachfolgen.
     
     

J
     
esus sagte zu den Jüngern: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterjochen und die Großen Gewalt an ihnen verüben. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer unter euch der Größte sein will, soll euer Diener sein, und wer unter euch der Erste sein will, soll euer Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
    MARKUS 10,42–45

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DAS EVANGELIUM NACH LUKAS
     
    Lukas ist in griechischer Literatur und Philosophie bewandert. Er schreibt einen sehr gepflegten griechischen Stil. Er verfasst etwa zwischen 80 und 90 nach
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